Das merkwürdige Kätzchen

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Der Geheimtipp der letzten Berlinale war der im Forum gezeigte „Das merkwürdige Kätzchen“, eine an der Deutschen Filmhochschule entstandene Arbeit des jungen Schweizer Regisseurs Ramon Zürcher. Mit genauen Alltagsbeobachtungen und lakonischem Humor zeigt er das Wochenende einer Familie in Berlin. Und das Leben ihrer Katze…

Webseite: www.peripherfilm.de

Deutschland 2013
Regie, Buch: Ramon Zürcher
Darsteller: Leon Alan Beiersdorf, Matthias Dittmer, Lea Draeger, Monika Hetterle, Jenny Schily, Mia Kasalo
Länge: 72 Minuten
Verleih: peripher
Kinostart: 2. Januar 2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Schon der Titel von Ramon Zürchers Debütfilm ist pure Ironie: Denn wenn es ein Wesen in seinem Film gibt, das nicht merkwürdig ist, dann ist das zu allerletzt die Katze, die durch die Wohnung streift, in der fast der komplette Film stattfindet. Genau genommen ist die Katze das einzig normale Wesen in einem kuriosen Sammelsurium merkwürdigen Verhaltens sowohl der zunehmenden Menschenmenge, als auch von allerlei Gegenständen, denen fast organische Qualitäten eingeräumt werden.

Schauplatz ist eine Wohnung, irgendwo in Berlin, an eine WG denkt man anfangs: Eine Frau, gespielt von Jenny Schily, hantiert in der Küche, die Katze kratzt an einer Tür, die sechs, sieben Jahre alte Clara schreit. „Ist Clara jetzt verrückt geworden“ fragt Karin (Anjorka Strechel), die zu Besuch ist. Doch sie fragt es ohne wirkliche Sorge, ohne sich über das merkwürdige Verhalten Claras zu wundern. Etwas später stellt sie eine leere Flasche in einen Topf, setzt sie in Bewegung und beobachtet gemeinsam mit Kamera und Zuschauer das Drehen der Flasche, das kein Ende zu nehmen scheint. Und so geht es weiter: Figuren tauchen auf, Männer, junge Erwachsene, kleine Kinder, skurrile Geschichten werden erzählt, die zwei, drei Mal als subjektive Rückblende bebildert werden, verschiedenste Gegenstände werden in Großaufnahmen ins Bild gestellt und wirken oft ebenso belebt wie die Darsteller. Deren Dialoge, ihre Alltagsbeobachtungen sind voller Lakonie, manchmal ganz banal, dann wieder pointiert. Von einer Handlung im klassischen Sinn kann man nicht sprechen, lose begleitet die Erzählung den Tag einer Großfamilie, als die die Figuren und ihre Verbindung zu erahnen sind.

Das ist hübsch und skurril, dennoch wirkt „Das merkwürdige Kätzchen“ bisweilen wie ein Kurzfilm, der beim Drehen immer länger wurde. Mit gerade einmal 70 Minuten Spiellänge ist er immer noch ein sehr kurzer Langfilm, was aber auch dafür sorgt, dass er vorbei ist, bevor das Spiel mit den Merkwürdigkeiten des Alltags anfängt, redundant zu werden.

Immer wieder deutet Ramon Zürcher Verbindungen zwischen Figuren an, inszeniert Parallelen durch Gesten, Geräusche, wiederholte Motive und Handlungen. Ist die Welt ein großer Organismus, in dem alles miteinander verbunden ist, in dem Alltägliches merkwürdig und Merkwürdiges alltäglich wirken kann? In der Kakophonie aus Menschen, Geräuschen, Bewegungen und Gegenständen, die „Das merkwürdige Kätzchen“ abbildet, wirkt jedenfalls kaum etwas gewöhnlich. – Außer der ruhig vor sich hinschnurrenden Katze.

Michael Meyns