Eine Mischung aus Dokumentarfilm, politischem Aktivismus und Historienfilm ist „Das neue Evangelium, ein Film von Milo Rau, Schweizer Theatermacher, Autor und Filmregisseur. Entstanden anlässlich des Satus der süditalienischen Stadt Matera als Kulturhauptstadt Europas schneidet Rau viele Themen an, die mal besser, mal schlechter zusammenfinden.
Website: https://port-prince.de/projekt/das-neue-evangelium/
OT: The New Gospel
Das neue Evangelium – Essayfilm
Deutschland/ Schweiz/ Italien 2020
Regie & Buch: Milo Rau
Essayfilm
Länge: 107 Minuten
Verleih: Port au Prince Pictures
Kinostart abgesagt – ab 17.12. digital mit Beteiligung der Kinos
Website: https://port-prince.de/projekt/das-neue-evangelium/
OT: The New Gospel
Das neue Evangelium – Essayfilm
Deutschland/ Schweiz/ Italien 2020
Regie & Buch: Milo Rau
Essayfilm
Länge: 107 Minuten
Verleih: Port au Prince Pictures
Kinostart abgesagt – ab 17.12. digital mit Beteiligung der Kinos
Über den Film
Originaltitel
Das Neue Evangelium
Deutscher Titel
Das Neue Evangelium
Produktionsland
DEU / ITA / CHE
Filmdauer
103 min
Produktionsjahr
2020
Regisseur
Rau, Milo
Verleih
Verleih N.N.
Starttermin
16.12.2020
FILMKRITIK:
Sie gilt als eine der ältesten Siedlungen der Menschheit, ist seit 1993 Weltkulturerbe und war 2019 Kulturhauptstadt Europas: Matera, eine inzwischen über 60.000 Einwohner zählende Stadt im südlichen Italien, 200 Kilometer östlich von Neapel, 50 Kilometer südlich von Bari gelegen. Berühmt ist Matera für seine Altstadt, für seine Höhlensiedlungen, in denen die Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg ausharrte, die auch Grund dafür ist, dass die Stadt für Filmregisseure beliebter Drehort war. So sehr erinnert Matera und die umliegende Landschaft an die karge Umgebung des antiken Jerusalems, das Pier Paolo Pasolini hier seinen Jesus-Film „Das 1. Evangelium-Matthäus“ drehte, später in Filmen wie „Mary“, „Es begab sich aber zu der Zeit…“ oder „Die Passion Christi“ Variationen der Geschichte erzählt wurden.
In diese Tradition begibt sich nun auch Milo Rau, Schweizer Theatermacher, momentan Intendant am Theater im niederländischen Gent und bekannt für seine dezidiert politischen Stücke. Im „Kongo Tribunal“ beschäftigte er sich etwa mit dem Genozid in Zentralafrika, „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“ thematisierte westliches Gutmenschentum, nun also ein neues Evangelium mit einem besonderen Dreh: Jesus wird von einem Schwarzen gespielt, Yvan Sagnet, ein Aktivist aus Kamerun.
Sagnet kam vor einigen Jahren aus seiner Heimat ins südliche Italien und geriet in die Fänge der dortigen Ausbeutungsstrukturen. Für wenig Geld arbeiten meist Afrikaner auf den von mafiösen Strukturen kontrollierten Feldern und pflücken das Obst und Gemüse, das gerade auch in Deutschland die Regale der Supermärkte füllt. Im Gegensatz zu vielen anderen gelang Sagnet der Ausbruch aus diesen Strukturen, sein Geld verdient er inzwischen als Ingenieur, kämpft nebenbei für bessere Arbeitsbedingungen, vor allem aber für Aufmerksamkeit für eines nur scheinbar lokal begrenztem Problems.
In dokumentarischen Szenen sieht man ihn in den ärmlichen Behausungen der Arbeiter, in Gesprächen mit Flüchtlingen, die später in Spielszenen Jesus Jünger geben. Aber auch einige professionelle Schauspieler sind zu sehen, darunter Enrique Irazoqui, der in Pasolinis Film den Jesus gespielt hatte oder Maia Morgenstern, die in Mel Gibsons „Passion Christi“ Maria Magdalena war.
Einige der bekannten Stationen der Passionsgeschichte stellt Rau nach, variiert die Bilder, die aus den zahllosen Jesus-Filmen bekannt sind, lässt dabei den Bezug zwischen den historischen Figuren Jesus und seine Jüngern und den zeitgenössischen Migranten eher als Zeichen im Raum stehen, als ihn mit Bedeutung zu füllen. Welche Bezüge man hier zieht bleibt dem Zuschauer überlassen, ob die Situationen wirklich sinnvoll vergleichbar ist, bleibt offen.
Weniger schlüssig als etwa sein Film über das „Kongo Tribunal“ wirkt dadurch Raus „Das neue Evangelium“, eher wie eine nicht ganz durchdachte Idee, die auf den ersten Blick zu stimmig und verführerisch wirkte, um sie fallen zu lassen. Was jedoch bleibt sind die Bilder aus der Gegenwart, die Einblicke in die Ausbeutungsstrukturen, die durch unbedachten Konsum gefördert werden, und vor allem der Aktivist Yvan Sagnet, der auch ganz ohne religiösen Anstrich für Gerechtigkeit kämpft.
Michael Meyns