Das Wochenende

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Wie die Schatten des Deutschen Herbsts das geordnete Leben einer bürgerlichen Familie durcheinander wirbeln, davon erzählt Nina Grosse in ihrem stark besetzten und gefilmten Drama „Das Wochenende“. Lose auf Motiven eines Romans von Bernhard Schlink basierend, geht es weniger um das Erbe der RAF als um Schuld, Vergebung und schwere Entscheidungen.

Webseite: www.universumfilm.de

Deutschland 2012
Regie: Nina Grosse
Buch: Nina Grosse, nach Motiven des Romans von Bernhard Schlink
Darsteller: Katja Riemann, Tobias Moretti, Sebastian Koch, Barbara Auer, Sylvester Groth, Robert Gwisdek, Elisa Schlott
Länge: 98 Minuten
Verleih: Square One Entertainment/ Universum Film
Kinostart: 11. April 2013

PRESSESTIMMEN:

"Das dialogintensive Drama bietet eine erstklassige schauspielerische Ensembleleis­tung und brodelt vor innerer Spannung. ... Ein stimmiges Generationenporträt, aufwühlend und schmerzhaft."
CINEMA

"Eine packende Verfilmung des gleichnamigen Romans von Bernhard Schlink über das Scheitern von Träumen, über Schuld und nicht gelebte Liebe. Mit großartigen Schauspielern..."
BRIGITTE

FILMKRITIK:

Inga (Katja Riemann) und Ulrich (Tobias Moretti) haben es sich in ihrer bürgerlichen Existenz bequem gemacht: Sie erfolgreiche Literaturagentin, Er erfolgreicher Konditor, schmucke Wohnung, teures Auto. Doch dann bringt ein Anruf alles durcheinander: Jens Kessler (Sebastian Koch) wird nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Und der ist nicht nur mehr oder weniger ehemaliger RAF-Terrorist, sondern auch Ingas Ex-Freund und Vater ihres Sohns Gregor (Robert Gwisdek). In der Einöde Brandenburgs, auf dem Hof von Jens Schwester Tina (Barbara Auer), trifft sich die Gruppe, vervollständigt durch Henner (Sylvester Groth), einen ehemaligen Gesinnungsgenossen, der ausstieg, bevor der Kampf zum Terror wurde, und Doro (Elisa Schlott), die halbwüchsige Tochter von Inga und Jens.
Anfangs bemüht man sich redlich, den Frieden zu wahren, plaudert bemüht um den heißen Brei herum. Lange dauert es jedoch nicht, bis die alten, tausendmal diskutierten Fragen wieder auf dem Tisch sind: Was hat der bewaffnete Kampf gebracht, wie konnte Mord gerechtfertigt werden und angesichts von 18 Jahren Gefängnis: „Und, war es das wert?“

Die Positionen sind dabei verteilt, etwas zu klar und schematisch: Ulrich verachtet die Revolutionäre von einst und wird seinerseits von Jens verachtet. Die junge Doro ist fasziniert von Terroristen, ohne die einstigen Beweggründe auch nur ansatzweise zu begreifen, und Georg hasst seinen Vater, der sich nie um ihn gekümmert hat. Im Zentrum der emotionalen Verwicklungen steht jedoch Inga, von Katja Riemann mit hoher Leidensfrequenz gespielt. Nach 18 Jahren findet sie sich auf einmal wieder mit dem Mann konfrontiert, den sie einst abgöttisch liebte, der ihr durch seine Verhaftung entzogen wurde, und muss sich zum ersten Mal in ihrem Leben aktiv für bzw. gegen einen Lebensentwurf entscheiden.

Schon in seinem weltweiten Erfolgsroman „Der Vorleser“ hatte Bernhard Schlink mit einer überkonstruierten Versuchsanordnung von Schuld, Vergebung und den Schatten der Vergangenheit erzählt. 2010 wendete er dieses Prinzip auf den deutschen Linksterrorismus an und bediente sich dabei ähnlich schematischer Figuren, die weniger ausgefeilte Charaktere waren als Chiffren für Positionen. In ihrer Adaption von „Das Wochenende“ bemüht sich Nina Grosse, die Figurenkonstellation zu verdichten – mit durchwachsenem Erfolg. Immer noch wirken die Argumente, die man sich an den Kopf wirft, wie allzu leicht durchschaubare Positionen, und besonders der Versuch, einen Bezug zur aktuellen Kapitalismuskritik herzustellen, arg bemüht. Der interessanteste Aspekt der Verfilmung (abgesehen von Benedict Neuenfels eindrucksvoller, impressionistischer Kameraarbeit) ist dann auch weniger das Verhältnis der Gegenwart zu den linken Positionen von einst, als der Konflikt, den Inga durchlebt. Die Dreieckskonstellation, in der sich Katja Riemanns Figur wiederfindet, bestimmt den Film. Hin- und hergerissen zwischen dem bürgerlichen Ulrich, der all das verkörpert, was auch Inga einst verachtete, und dem immer noch in den Positionen von einst verhafteten Jens, sieht sich Inga zu einer Entscheidung genötigt, die emblematisch für eine ganze Generation steht. Dass dabei viele andere Figuren vernachlässigt werden, viele Aspekte nur angedeutet werden, ist bedauerlich und führt zu einem fahrigen Ergebnis. In Momenten ist „Das Wochenende“ pointiert, bringt er die Debatten um die 68er und ihr Erbe auf den Punkt und hat mit Koch, Moretti und Riemann ein starkes Zentrum, um das sich viele Figuren und Argumente etwas fahrig ranken.

Michael Meyns

Achtzehn Jahre saß Jens im Gefängnis. Er war aktives Mitlied der dritten RAF-Generation, und möglicherweise hat er bei Morden mitgewirkt.

Jetzt ist er frei. Seine Schwester Tina lädt aus diesem Anlass Freunde in ihr Landhaus in Zerlow (Brandenburg) ein. Inga und ihr Mann Ulrich sollen dabei sein. Eine nicht unkritische Einladung, denn Inga und Jens waren früher ein Paar. Henner kommt ebenfalls dazu. Er hat über die RAF-Zeit ein Buch verfasst und freut sich, alte Gesinnungsgenossen wieder zu treffen – auch wenn sich die Gesinnungen inzwischen geändert haben.

Dass, wie Ulrich es gerne hätte, beim Essen nur über mehr oder minder Belangloses geredet wird, lässt sich nicht lange halten. Die RAF-„Revolution“ tritt rasch in den Vordergrund. Ulrich lobt Henners Buch, Jens verurteilt es. Er will vor allem herausfinden, wer ihn damals verraten und so in Haft gebracht hat. Dass es nur geschah, um ihn außer Lebensgefahr zu bringen, ahnte er nicht.

Hatte die damalige gescheiterte Revolution einen Sinn? Hat sie etwas verändert? Die Schlüsse, die gezogen werden, sind trist. Der Kommunismus hat versagt, der Kapitalismus ebenso. Von seinem (und Ingas) ebenfalls hinzugekommenen Sohn Gregor und dessen Halbschwester Doro, Kind von Inga und Ulrich, hört Jens nur Vorwürfe. Hat er, der jeglichen Kontakt zu Inga und Gregor abgebrochen hatte, seine menschliche und politische Verantwortung fallen gelassen?

Soweit die äußeren Umstände und Fakten.

Und die inneren? Jens muss mit seiner kaputten Vergangenheit fertig werden, sich ein neues Leben aufbauen. Ulrich verliert Inga – zumindest zweitweise. Inga muss vorerst allein sein, alles verarbeiten.

Sich auf einen Roman von Bernhard Schlink stützend, stellt Nina Grosse die gesellschaftspolitischen Positionen von damals und heute noch einmal zur Debatte. Ein durchaus diskutierbares Thema – wenn auch eine gewisse Konstruiertheit und Scheindidaktik nicht fehlt. Dramatisiert und vom Wochenend-, Schauplatz-, Freundeskreis- und Diskussionsambiente her ist der Film gut geworden.

Dazu von einer beachtlichen Schauspielerriege dargestellt: Katja Riemann (Inga), Sebastian Koch (Jens), Tobias Moretti (Ulrich), Barbara Auer (Tina) Sylvester Groth (Henner) sowie Elisa Schlott (Doro) und Robert Gwisdek (Gregor). Alle spielen gut. Alle Achtung!

Thomas Engel