David wants to fly

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Auf die Spuren seines filmischen Vorbildes David Lynch begibt sich der deutsche Regisseur David Sieveking in dieser Dokumentation. Dabei es geht nicht um Lynchs filmische Visionen, sondern um die von ihm propagierte Transzendentale Meditation und ihre fragwürdigen Methoden. Eine persönliche Sinnsuche, bisweilen etwas arm an Überraschung, aber durch den dezent ironischen Blick des Regisseurs in jedem Fall sehenswert.

Webseite: www.davidwantstofly.de

Deutschland 2009 - Dokumentation
Regie: David Sieveking
Drehbuch: David Sieveking
Länge: 97 Min.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
Kinostart: 6. Mai 2010
 

PRESSESTIMMEN:

Eine clevere, investigative Doku.
STERN

FILMKRITIK:

Sich David Lynch zum filmischen Vorbild zu nehmen, ist sicherlich nicht besonders sinnvoll. Zu idiosynkratisch sind die Filme des amerikanischen Regisseurs, als das sich ein junger, ambitionierter Regisseur, der gerade die Filmhochschule beendet hat, an ihm orientieren sollte. Seiner eigenen Erzählung folgend befand sich David Sieveking Anfang 2006 in solch einem kreativen Loch, so das er die vage Gelegenheit, sein Idol David Lynch zu treffen, warnahm und nach Amerika reiste. Am Rande eines Meditations-Workshops begegnete er Lynch für ein kurzes Interview, bei dem der Meister – wie Sieveking Lynch anfangs noch nennt – ihm empfiehlt, sich der Meditation zu widmen.

Gesagt getan, beginnt Sieveking in Hannover mit dem Studium der Transzendentalem Meditation, kurz TM. Sechs Blumen hat er dabei, ein weißes Taschentuch – und exakt 2380 Euro. Kein Pappenstil für wenig mehr als eine oberflächliche Einführung, ein kurzes Initiationsritual und die Verleihung eines persönlichen Mantras. Von Anfang an steht das Geld also im Mittelpunkt, regt sich Skepsis an den hehren Zielen der Organisation. Womit das größte Problem des Films benannt ist: Sievekings Beschäftigung mit TM, seine zunehmend kritischen Recherchen, die ihn an den Methoden und Versprechen der Organisation zweifeln lassen, schließlich seine Suche nach der „wahren“ Meditation, die er ausgerechnet in den abgelegenen Regionen des Himalaja findet, sind weder originell noch überraschend.

Dass zudem Sievekings ursprünglicher Anlass für seine Recherchen zunehmend in den Hintergrund tritt, ist bedauerlich. Man hätte doch gerne erfahren, inwieweit die Erkenntnisse über die Machenschaften der TM-Organisation Sivekings Einstellungen zu David Lynch verändert haben. Immerhin ist der Regisseur seit Mitte der 70er Jahre ein Anhänger der Meditationstechnik des Maharishi Mahesh Yogi, der damals vor allem als Guru der Beatles bekannt war. Seitdem hat er ein weltumspannendes Unternehmen aufgebaut, mit Meditationszentren rund um die Welt, vor allem aber in den zahlungskräftigen westlichen Ländern. Denn eins wird im Laufe des Films einmal mehr deutlich: Erkenntnisgewinn durch TM ist eine teure Sache. Zahlreiche ehemalige Anhänger des Maharishis holt Sieveking vor die Kamera, die teilweise Millionen für angebliche religiöse Zentren gespendet haben, in denen der Weltfrieden herbeigebetet werden sollte. Von selbstlosen Zielen, einer auch nur ansatzweise reinen Lehre kann hier also keine Rede sein. Je größer seine Skepsis wird, desto mehr sieht sich Sieveking unter Druck gesetzt: Die Anwälte der Organisation drohen mit Unterlassungsklage, und selbst das Idol David Lynch verlangt auf einmal Eingriffsmöglichkeiten in den Schnitt.

Immer mehr gerät Sievekings Recherche zur Undercover-Operation, die er mit leichter Hand zu inszenieren weiß. Es ist dieser dezent ironische Blick auf die von Anfang an etwas befremdlich anmutende Welt der Transzendentalen Meditation, die „David wants to fly“ zu einem sehenswerten Film macht. Sieveking nimmt weder sich selbst zu ernst noch sein Thema, ohne die durchaus fragwürdigen Machenschaften der Organisation zu banalisieren. Und so hat seine Begeisterung für David Lynch schließlich doch zum erstrebten Ziel geführt: Zwar kein surreal-verworrenes Rätselspiel, aber eine interessante Dokumentation.

Michael Meyns

Das Transzendentale Meditieren (TM) ist eine vom Beatles-Guru Maharishi begründete Technik. Sie stützt sich auf ein zweimal pro Tag jeweils 20 Minuten wiederholtes Sanskrit-Mantra. Einmal von einem Prozent der Weltbevölkerung praktiziert, soll sie den Himmel und den Frieden auf Erden bringen.

Der Regisseur David Sieveking trat zunächst selbst als Meditierender (für viel Geld) in diese Welt ein und wollte sie filmisch (positiv) dokumentieren. Einer der Höhepunkte war für ihn die erste Begegnung mit dem amerikanischen Regisseur David Lynch, seit einigen Jahren einer der prominentesten Repräsentanten von TM.

Zuerst verspürte Sieveking einen heilsamen Effekt seiner Meditationszeit. Er machte sich auf und reiste und filmte in der halben Welt.

Doch dann kamen Ungereimtheiten zutage. War Maharishi ein echter Guru oder ein Blender? Was ist mit seinem Milliardenerbe? Warum ist TM womöglich ein Riesenkonzern geworden – mit abgesperrten Mitgliederlagern; mit feudalen Hotels und Villen als Welt- und Länderzentralen; mit gescheiterten Universitätsgründungen; mit Aussteigern, die wenig Positives berichten; mit Geldspendern, die heute ihre Millionenspenden bereuen; mit medizinischen Experten, die an TM Sektenhaftes entdecken?

Der zweite Besuch Sievekings bei David Lynch verlief denn auch viel kühler. Man hatte gemerkt, dass der deutsche Filmemacher investigativ vorging und manches entdeckte – beispielsweise auch die (offenbar fehlende) Legitimation Maharishis. TM scheint gar mit einer Klage gedroht zu haben.

Sievekings Dokumentarfilm – in dem übrigens auch seine Liebesbeziehung mit eine Rolle spielt – ist aussagekräftig, erstaunlich, Unbekanntes hervorzaubernd, formal gut gemacht, für Interessierte ein Gewinn.

Thomas Engel