December Boys

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Für Daniel Radcliffe hat das Leben nach "Harry Potter" begonnen. Im australischen „December Boys“ ist er ein Waisenjunge auf Sonderurlaub an der Küste, der erstmals die Magie jugendlichen Verliebtseins spüren darf. Seine drei jüngeren mitgereisten Freunde wünschen sich derweil nichts sehnlicher als eine Adoption. Vor allem die hiermit verbundenen Hoffnungen und der kleine Konkurrenzkampf um die Zugehörigkeit zu einer Familie stehen im Zentrum der als Erinnerungserzählung in den 1960er Jahren spielenden Geschichte.

Webseite: www.decemberboys.de

Australien 2006
Regie: Rod Hardy
Darsteller: Daniel Radcliffe, Lee Cormie, Christian Byers, James Fraser, Jack Thompson, Teresa Palmer
109 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 11.10.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Dezember in Australien, das heißt Sommerzeit, und Sommerzeit ist Ferienzeit. Weil Maps (Daniel Radcliffe), Spark (Christian Byers), Split (James Fraser) und der auf jene Tage als Erzähler zurückblickende Misty (Lee Cormie) gemeinsam im Dezember Geburtstag haben, dürfen die vier halbwüchsigen Jungen ihr katholisches, inmitten des Outback liegendes und von Nonnen geführtes Waisenhaus für ein paar Wochen verlassen – für Ferien bei einem pensionierten Ehepaar (Jack Thompson/Kris McQuade) an der Küste. Die drei jüngeren Buben sind während dieses Aufenthalts davon beseelt, vielleicht doch endlich adoptiert zu werden. Die Anwesenheit eines im Nachbarhaus lebenden jungen Paares (Sullivan Stapleton/Victoria Hill) mit unerfülltem Kinderwunsch beflügelt diesen Traum und führt zu einem spielerischen, jedoch nicht zu dramatischen Wetteifern.

Maps kümmert diese Sehnsucht nach einer Familie nicht. Als ältester der vier Jungen hat er unbewusst ohnehin schon eine Art Vaterrolle übernommen, weiß aber aufgrund seines Alters bereits vom Schmerz, der bei nicht funktionierenden Familienbanden oder einer früher oder später zu erwarteten Trennung zu ertragen ist. Die Bekanntschaft mit der etwa gleichaltrigen Lucy (Teresa Palmer) lässt erstmals in seinem Leben romantische Gefühle in ihm keimen – und ihn erstmals erleben und spüren, was Liebe bedeuten kann.

„December Boys“, basierend auf dem 1963 veröffentlichten und nun erstmals auch in Deutschland erschienenen Coming-of-Age-Roman von Michael Noonan, ist eine sehr ruhige und liebevoll erzählte Geschichte von Freundschaft und Erwachsenwerden. Im wundervollen Licht und vor der Weite des australischen Kontinents breitet der bisher vorwiegend für TV-Serien aktive Regisseur Rob Hardy hier großartige Landschaftsaufnahmen aus. Mit der Inszenierung von Traumsequenzen des kleinen, sich am meisten nach einer Adoption sehnenden Misty, versucht Hardy der Geschichte ein Gefühl von göttlicher Fügung zu geben. In ihnen erscheinen dem katholisch erzogenen Misty die Jungfrau Marie als mütterliche Ikone sowie am Strand radschlagende Nonnen. Dieser Kniff mag einerseits kitschig und künstlerisch ambitioniert vorkommen, aus der verklärenden Rückbetrachtung des Erzählers erscheint er plausibel. Dass nach der Ankunft im Feriendomizil die adoptionswillige Tess den erstmals aus der abgeschlossenen und reglementierten Welt ihrer Klostermauern entkommenen Jungen oben ohne aus dem Meer entgegen kommt, ist dabei ein weitaus – noch dazu für die damaligen Zeiten – realistischeres Bild für die Wahrnehmung der Bucht als Paradies.

In Erinnerung bleiben wird „December Boys“ aber vor allem als der erste Film von Daniel Radcliffe jenseits von Harry Potter – falls dies jemals überhaupt möglich sein wird. Seine Sache als sich langsam weltlichen Dingen zuwendender junger Bursche – angefangen beim heimlichen Rauchen im Schlafsaal bis hin zu ersten sexuellen Erfahrungen – macht er trotz seines manchmal noch milchbübisch-scheuen Verhaltens ganz ordentlich. Von der etwas zu schnell durchgezogenen Verführungsszene scheint indes nicht nur er überrumpelt zu werden. Der heimliche Star dieses Jugenddramas aber ist der kleine Misty (und somit Lee Cormie) als ordentlicher, putziger und sensibler Junge, der sich Jahre später als Senior mit den Freunden in der zurückgezogenen Meeresbucht wieder trifft und sich der gemeinsamen Ferientage mit den „December Boys“ erinnert.

Thomas Volkmann