Deine Juliet

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„Deine Juliet“ war der erste und einzige Roman der noch während ihrer Arbeit daran verstorbenen Autorin Mary Ann Shaffers. Mike Newell gefiel darin vor allem die Erzählung auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen, die der Regisseur in seiner Inszenierung geschmackvoll miteinander kombiniert. Einer von diversen Vorzügen eines sehr charmanten Dramas mit gleichermaßen komischen wie amourösen Einschüben.

Webseite: www.studiocanal.de

OT: The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society
UK/USA 2018
Regie: Mike Newell
Darsteller: Lily James, Matthew Goode, Jessica Brown Findlay, Michiel Huisman, Katherine Parkinson, Glen Powell, Penelope Wilton, Tom Courtenay
Länge: 124 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 16.08.2018

FILMKRITIK:

London, Ende der Vierzigerjahre: Juliet Ashton (Lily James) steht noch ganz am Anfang ihrer Karriere als Schriftstellerin, doch ihr bester Freund und Verleger Sidney (Matthew Goode) sagt ihr bereits eine glorreiche Zukunft voraus. Sie ist gefragt und reist von Lesung zu Lesung, bis sie eines Tages einen Brief von der abgelegenen Kanalinsel Guernsey erhält. Darin schreibt ihr der literaturbegeisterte Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman), der sich auf der Suche nach einem Buch befindet. Hilfe erhofft er sich dabei von der von ihm hochgeschätzten Schriftstellerin, der diese Anfrage gerade Recht kommt. Juliet, von dem Trubel um ihre Person ohnehin überfordert, gewährt sich Auszeit und bricht zu dem ihr unbekannten Briefschreiber nach Guernsey auf. Dort angekommen, macht sie Bekanntschaft mit dem Literaturverein, dem auch Dawsey angehört. Die „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ schlossen sich während des Zweiten Weltkriegs zusammen, und halfen einander über die schweren Stunden deutscher Besatzung hinweg. Der Club nimmt die Fremde freudestrahlend auf und für die junge Frau steht fest: Sie hat das Thema für ihr nächstes Buch gefunden! Doch die Guernseyer sind von dieser Idee nicht begeistert…

Für die bessere Vermarktung in Deutschland entschloss man sich dazu, den ellenlangen Originaltitel des Buches in „Deine Juliet“ umzubenennen. Dabei wird der Name des Guernseyer Buchclubs – „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ – bereits in den ersten Minuten dreimal erwähnt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der so amüsant klingene Name eine äußerst tragische Entstehungsgeschichte besitzt: Bei einer nächtlichen Überprüfung durch Nationalsozialisten fiel den ins Visier geratenen Inselbewohnern schlicht nichts Anderes ein, als sich die Existenz eines Buchclubs für ihr spätes Umherstreifen auszudenken. Die Inspiration lieferten Kartoffelschalen und Romane. Dieser Faktor steht symptomatisch für die im Film immer wieder sehr charmant ineinander verschmelzenden Tonfälle aus Komödie und Drama. Der für so unterschiedliche Filme wie den Blockbuster „Prince of Persia“ oder das Kostümdrama „Große Erwartungen“ verantwortliche Regisseur Mike Newell legt dabei ein sehr feines Fingerspitzengefühl und kombiniert in „Deine Juliet“ zu gleichen Anteilen Dramatisches, Komisches und Amouröses.

„Deine Juliet“ ist voller hochdramatischer Momente, etwa wenn ein Vater seiner Pflegetochter vom Tod der leiblichen Mutter erzählen muss und wir diese Szene lediglich von Ferne aus beobachten können. Dann wiederum gibt es auch so Einiges zu lachen (die Frauengespräche zwischen der zurückhaltenden Juliet und der vorlauten Isola sind bisweilen zum Brüllen komisch) und dazwischen entfaltet sich zaghaft das Interesse zwischen der Autorin und ihrem Fan, dem alleinerziehenden Dawsey. All das geschieht gleichermaßen zurückhaltend als auch voller Leidenschaft. Es gibt (mit einer Ausnahme im Finale – leider!) keinerlei aufdringliche Musik oder andere audiovisuelle Spielereien. Die Macher setzen in „Deine Juliet“ voll und ganz auf die Faszination der Figuren mitsamt ihren traurigen Hintergrundgeschichten. Es ist das Herzstück des Films, zu entdecken, wie der Zweite Weltkrieg den Zusammenhalt der Inselbewohner geprägt hat.

Aus dem ohnehin starken Ensemble ragt Lily James noch einmal besonders heraus. Die kürzlich in „Die dunkelste Stunde“ zu sehende Schauspielerin punktet in der Hauptrolle der Juliet Ashton einmal mehr mit viel Natürlichkeit und bringt die unterschiedlichen Facetten ihrer Figur glaubhaft und gekonnt unter einen Hut. Auch Michiel Huisman („Für immer Adaline“) spielt gezielt gegen den Stereotyp des zurückhaltenden Einsiedlers an und wäre damit auch erfolgreich, wenn ihm gen Ende nicht die sich überschlagenden Ereignisse innerhalb des Skripts zum Verhängnis werden würden. Nachdem die Beziehung zwischen Juliet und ihrem in London verbliebenen Verlobten Mark (Glen Powell) zunächst noch als stabil und glücklich etabliert wird, genügen dem Regisseur ein paar dramatische Augenaufschläge von Seiten Dawseys, um der jungen Frau den Kopf zu verdrehen. Das ist im Anbetracht des ansonsten so positiven Eindrucks dieser lebensechten und sympathischen Geschichte einen Tick zu klischeehaft.

Antje Wessels