Den Himmel gibt’s echt

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Vorsicht! Mit „Den Himmel gibt’s echt“ schleicht sich ein „Based on a True Story“-Film mit zweifelhafter Agenda und evangelikalem Weltbild in unsere Kinos. Wofür es in den USA ein treues Publikum gibt, soll dank bekannter Gesichter wie Greg Kinnear nun auch hierzulande funktionieren. Verkleidet in kitschig-naive Bilder, die bisweilen dicht an der Karikatur vorbeischrammen, wird hier weniger eine Geschichte erzählt als vielmehr ein ganz bestimmtes Glaubensbild gepredigt.

Webseite: www.den-himmel-gibts-echt.de

OT: Heaven is for real
USA 2014
Regie: Randall Wallace
Drehbuch: Randall Wallace, Christopher Parker nach dem Buch von Todd Burpo und Lynn Vincent
Darsteller: Greg Kinnear, Kelly Reilly, Connor Corum, Thomas Haden Church, Margo Martindale, Lane Styles
Laufzeit: 99 Minuten
Verleih: Sony
Kinostart: 6.11.2014

FILMKRITIK:

In den USA gibt es für christliche Erbauungsthemen ein verlässliches, mehr als treues Publikum. Das gilt sowohl für den Buchmarkt als auch für TV-Produktionen und das Kino. Mit „Den Himmel gibt’s echt“ (OT: Heaven is for real) hat nun eines dieser nicht nur inhaltlich durchaus zweifelhaften Werke sogar hierzulande einen Kinostart erhalten. Dass fundamentale, christliche Gruppierungen und Freikirchen auch in Deutschland auf dem Vormarsch sind, mag bei der Entscheidung zugunsten einer Kinoauswertung ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Da kann man nach der Sonntagsmesse gleich geschlossen in das örtliche Multiplex pilgern. Gepredigt wird schließlich nicht nur vom Altar, sondern auch von der Leinwand herunter.
 
Schon die Ankündigung „Based on a true story“ lässt erahnen, dass man es hier mit einer besonderen Form der Offenbarung zu tun bekommen wird. Da ist es nur konsequent, wenn die Vorlage in den USA monatelang auf der Sachbuch-Bestenliste der „New York Times“ zu finden war. Eigentlich darf man das, was uns der Film erzählt, keinesfalls kritisch hinterfragen. Man soll vielmehr glauben, dass sich alles gemäß der mitgelieferten Erklärung tatsächlich so ereignet hat.
 
Die Geschichte spielt dort, wo das Herz der USA schlägt und sich Amerika noch so richtig amerikanisch anfühlt – im mittleren Westen. Genauer im dünn besiedelten Nebraska mit seinen endlosen Maisfeldern und Landstraßen, seinen kleinen Städten, wo jeder jeden kennt, und mit seiner großen Frömmigkeit. Hier lebt Familienvater Todd Burpo (Greg Kinnear) mit seiner Frau Sonja (Kelly Reilly), Tochter Cassie (Lane Styles) und seinem vierjährigen Sohn Colton (Connor Corum). Todd führt seinen eigenen Handwerksbetrieb – die Geschäfte laufen schlecht –, predigt am Sonntag vor der Gemeinde und ist natürlich Mitglied der freiwilligen Feuerwehr. Als Colton plötzlich erkrankt und die Ärzte im örtlichen Krankenhaus eine Notoperation durchführen müssen, findet der Film zu seinem Titel. Ähnlich wie bei einem Nahtoderlebnis habe Colton während der OP seinen Körper verlassen und seine Eltern im Nebenraum beobachten können. Doch damit nicht genug: Das Kind berichtet später von Engeln, die für ihn gesungen hätten, und einer Begegnung mit Jesus, der ihn an die Hand genommen habe. Dabei erfahren wir, dass der Sohn Gottes noch heute unter uns lebe und ein wunderschönes Pferd besitze.
 
Zweifel an dieser Darstellung oder einer nicht-religiösen Deutung lässt „Heaven is for real“ zu keiner Zeit ernsthaft zu. Stattdessen wird der in seinem Glauben erschütterte Vater ebenso wie das Publikum mit großer Beharrlichkeit bekehrt. Erklärungen von Ärzten und Psychiatern, die lediglich eingeschränkt sympathische Randfiguren sind, haben gegen das Lächeln und den Charme des kleinen Colton ohnehin keine Chance. Zugleich wird suggeriert, dass nicht die Arbeit der Ärzte, sondern die Gebete der Gemeinde dem Kind das Leben gerettet hätten. Regisseur Randall Wallace – bekannt für seine Zusammenarbeit mit Mel Gibson bei Filmen wie „Braveheart“ und „Wir waren Helden“ – liebt ganz offenbar das Eindeutige und Naheliegende. Schon die naive Bildsprache scheint diese Ansicht zu bestätigen. Wenn die Kamera nicht gerade die ländliche Idylle Nebraskas einfängt, wird der Blick des Zuschauers wahlweise auf die US-Flagge oder ein mahnendes Kreuz gelenkt. Das ist ebenso wie die propagierte Vorstellung eines „Himmels“ mitunter recht befremdlich.
 
Da sich „Heaven is for real“ ohnehin nur an eine tiefgläubige, fromme Klientel richtet, laufen solche und ähnliche Kritikpunkte letztlich alle ins Leere. Eine schlüssige Erzählung, dramatische Tiefe oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Schilderungen des Jungen scheinen Wallace und sein Co-Autor Christopher Parker daher lieber gleich weggelassen zu haben. Schade ist es allein um Greg Kinnear, der einst immerhin in Oscar-Erfolgen wie „Little Miss Sunshine“ und „Besser geht’s nicht“ seine schauspielerischen Qualitäten unter Beweis stellen konnte. Als ungläubiger Thomas in einem biederen Bibelfilm ist er heute offenbar gezwungen, die Wählerschaft von Sarah Palin zu unterhalten.
 
Marcus Wessel