Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr

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Am Ende seines Lebens unternimmt ein 90-jähriger Mann eine Reise mittels Bussen des öffentlichen Fahrverkehrs von einem Ende des Landes zum anderen – und wird, ohne dass er es merkt, zu einer viralen Sensation. Timothy Spall spielt den alten Mann – mit Würde, Durchsetzungsvermögen und hoher Moral. Ein zu Herzen gehender Film über den Verlust und das Trauern.

Webseite: https://www.capelight.de/der-englaender-der-in-den-bus-stieg-und-bis-ans-ende-der-welt-fuhr

The Last Bus
Großbritannien 2021
Regie: Gillies MacKinnon
Buch: Joe Ainsworth https://www.imdb.com/name/nm1050098
Darsteller: Timothy Spall, Phyllis Logan, Ben Ewing, Natalie Mitson

Länge: 86 Minuten
Verleih: Capelight
Kinostart: 11. August 2021

FILMKRITIK:

Vor 70 Jahren zogen Tom (Timothy Spall) und Mary von Land’s End, dem südlichsten Zipfel Englands, nach John o’ Groats, dem nördlichsten Punkt Schottlands. Von einem Ende des Landes, so weit weg wie nur möglich. Nach dem Tod seiner Frau macht sich Tom nun auf den Weg zurück und benutzt dafür seinen Fahrausweis, der es ihm erlaubt, kostenlos die Busse des Nahverkehrs zu nutzen. Auf seiner Reise trifft er die unterschiedlichsten Menschen – und er wird bemerkt. Schon bald ist er ein virales Phänomen und die Leute sind gespannt, was er am Ziel seiner Reise machen wird.

Der deutsche Titel möchte natürlich an den Hundertjährigen erinnern, der aus seinem Fenster stieg. Immerhin hat man hier auch einen 90-jährigen, selbst wenn Spall erst 62 Jahre alt war und entsprechend noch Alters-Make-up benötigte. Ans Ende der Welt geht es auch nicht. Nur bis zum Ende des Landes, einem Ort, der bezeichnenderweise Land’s End heißt. Und Schottland verlässt die Produktion auch nicht, auch wenn es die Geschichte tut. Das geringe Budget erforderte es aber, innerhalb Schottlands Grenzen zu drehen.

Der Film ist ganz und gar ein klassisches Road Movie, nur mit dem Unterschied, dass der Weg hier nicht das Ziel ist. Für Tom ist es unerlässlich, dass er sein Ziel erreicht. Es ist die letzte Reise, die er in diesem Leben unternehmen will, eine, die er schon vor langen Jahren antreten wollte, für die er nun aber mehr Grund als je zuvor hat. Eine Reise voller Erinnerungen. An glücklichere Tage, aber auch an düstere, an ein volles Leben, das doch nie das sein konnte, was sich das junge Paar im Jahr 1950 versprochen hatte.

Verlust ist das tragende Element des Films, die Bewältigung von Trauer die andere Säule. Jeder geht mit Verlust und Trauer auf eigene Art und Weise um, hier ist es eine Rückkehr an den Anfang, die den Kreis schließen soll. Entlang des Wegs spürt man die Emotion, die dieser Film verströmt. Wer von Toms Trauer nicht ergriffen wird, der hat nie wirklich gelebt. Timothy Spall ist grandios. Zurückhaltend, gebrechlich, freundlich, entschlossen und immens stark – eine der wohl schönsten Rollen die der britische Charaktermime je gespielt hat.

Im Verlauf der Reise sind es kurze Rückblicke, die verständlich machen, wieso sie für Tom so wichtig ist. Mit seiner Reise berührt er auch die Menschen – den Konventionen eines Road Movies entsprechend trifft er die unterschiedlichsten Charaktere. Es ist sympathisch, dass der Film sich nicht auf Tom als virales Phänomen kapriziert, sondern diesen Teil der Handlung nur en passant laufen lässt. Denn weit wichtiger ist die eigentliche Geschichte einer großen Liebe.

 

Peter Osteried