Der Fall Sarah & Saleem

Zum Vergrößern klicken

Die Geschichte einer Affäre zwischen zwei verheirateten Menschen wäre unter normalen Umständen Stoff für ein emotionales Drama. Wenn sie in der geteilten Stadt Jerusalem, zwischen einer Israelin und einem Palästinenser stattfindet, wird aus der Affäre schnell weit mehr und davon erzählt Muayad Alayan in seinem Film „Der Fall Sarah & Saleem“, der ein extremes Konstrukt verwendet, um von einer extremen Situation zu erzählen.

Webseite: www.missingfilms.de

The Reports on Sarah & Saleem
Palästina/ NL/ Deutschland/ Mexiko 2018
Regie: Muayad Alayan
Buch: Rami Alayan
Darsteller: Sivane Kretchner, Maisa Abd Elhadi, Ishai Golan, Adeeb Safadi, Hanan Hillo, Amer Khalil
Länge: 127 Minuten
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 14. März 2019

FILMKRITIK:

Sarah (Sivane Kretchner) ist Israelin und betreibt im westlichen Teil Jerusalems ein kleines, nicht besonders gut gehendes Café. Einer ihrer Lieferanten ist Saleem (Adeeb Safadi), ein Palästinenser, der im östlichen Teil der Stadt lebt. Seit einiger Zeit haben sie eine Affäre, treffen sich abends auf einem abgelegenen Parkplatz und verbringen kurze, leidenschaftliche Momente miteinander.
 
Um sein karges Gehalt aufzubessern, nimmt Saleem den Vorschlag seines Schwagers an, in die besetzten Gebiete zu fahren, um dort Lebensmittel auszuliefern. Eines Abends nimmt er Sarah mit, sie fahren nach Bethlehem, verbringen ein paar normale Momente miteinander, sitzen in einem Café, tanzen. Doch dieser kurze Moment wird für das Paar zum Verhängnis, denn Saleem gerät ausgerechnet mit einem anderen Besucher der Bar aneinander, der schnell erkannt hat, dass Sarah eine Jüdin ist.
 
Bald sieht sich Saleem mit Vorwürfen des Palästinensischen Geheimdienstes konfrontiert, die er nur mit einer Lüge entkräften kann. Eine Lüge, die der Beginn einer Verkettung von Ereignissen ist, die nicht nur die jeweiligen Ehen aufs Spiel setzen, sondern weitaus schlimmere Konsequenzen haben kann.
 
Schon von der ersten Szene wird die weitaus größere Dimension deutlich, auf die Muayad Alayan in seinem zweiten Spielfilm abzielt: Aus dem Nichts wird Saleem da in seiner Wohnung von israelischen Sicherheitskräften verhaftet, verschleppt und in ein Verhörzimmer gebracht: „Wer ist die Frau, die du rekrutieren wolltest?“ wird er gefragt und schon hier kann man ahnen, welche moralischen Konflikte drohen.
 
Zumal Sarahs Mann David (Ishai Golan) Offizier der israelischen Armee ist und als solcher nicht nur an Aktionen in den Palästinensergebieten beteiligt ist, sondern von seinen Vorgesetzten besonders kritisch beobachtet wird. Etwas überkonstruiert mutet diese Figurenkonstellation zwar an, doch dank dieser überdeutlichen Verflechtung von Privatem und Politischem ist es Alayan möglich, von den moralischen Verwerfungen zu erzählen, um die es ihm geht.
 
Dass sowohl Sarah gegenüber David, als auch Saleem gegenüber seiner Frau Bisan (Maisa Abd Elhadi) versuchen, erste Verdachtsmomente mit kleinen Lügen abzuwiegeln, überrascht nicht. Dass diese kleinen Lügen bald größere Probleme nach sich ziehen ist ebenfalls ein bekanntes Muster, das hier, im Kontext des immer noch schwelenden Nahost-Konflikts, jedoch eine zusätzliche Dimension bekommt. Bezeichnend ist da etwa eine Szene, in der Sarah einer Kollegin die Affäre gesteht: Nicht von der Affäre selbst ist die Kollegin überrascht, sondern davon, dass Sarah ausgerechnet mit einem Palästinenser ins Bett geht, schockiert sie. Es sind gerade diese kleinen Momente, die viel über eine Gesellschaft erzählen, in der selbst eine an sich so alltägliche Sache wie eine Affäre politisch sein kann und solch unerwartete Konsequenzen haben kann, wie sie Muayad Alayan in seinem Drama durchspielt.
 
Michael Meyns