Der geheime Garten

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Frances Hodgson Burnetts Jugendroman „The Secret Garden“ ist weltberühmt. Darin erzählt die britische Schriftstellerin die Geschichte eines kleinen Mädchens, das nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern bei ihrem kaltherzigen Onkel unterkommt, auf dessen Grundstück jedoch einen geheimnisumwitterten Garten findet, in dem sie ihre Lebensfreude wiederentdeckt.

Website: www.studiocanal.de/kino/der_geheime_garten

USA 2020
Drehbuch: Jack Thorne
Regie: Marc Munden
Darsteller: Dixie Egerickx, Colin Firth, Julie Walters, Edan Hayhurst, Amir Wilson
Verleih: STUDIOCANAL
Länge 100 Min.
Start: 15. Oktober 2020

FILMKRITIK:

Die junge Mary (Dixie Egerickx) wird nach dem plötzlichen Krankheitstod ihrer Eltern in die Obhut des ihr fremden Onkels Archibald (Colin Firth) gebracht. Der zeigt an dem allzu verwöhnten Waisenmädchen keinerlei persönliches Interesse, bietet ihr allerdings Obdach und sorgt dafür, dass sie immer genug zu Essen und ausreichend Kleidung hat. Doch für Mary sind die Tage auf dem großen Landsitz eintönig, bis sie auf einem Ausflug zufällig auf den verwilderten Garten ihres Onkels trifft, der sich nach kurzer Zeit als magisches Paradies entpuppt. Mary beschließt, dieses Geheimnis mit Archibalds krankem Sohn (Edan Hayhurst) und ihrem neuen Freund Dickon (Amir Wilson) zu teilen. Fortan verbringen die drei Freunde viel Zeit dort und langsam eröffnet sich ihnen der Blick in eine positive Zukunft…

Beworben wird die nunmehr fünfte Spielfilmadaption des britischen Kinder- und Jugendromanklassikers „Der geheime Garten“ mit den Worten „Von den Machern von ‘Harry Potter‘ und ‘Paddington‘“. Das sind per se Qualitätssiegel; Die beiden „Paddington“-Filme gehören zu den charmantesten Familienabenteuern der letzten Filmjahre und der Erfolg der „Harry Potter“-Saga spricht für sich. Auch der Trailer bekräftigt diese Kollaboration und kündigt ein verspielt-träumerisches, gleichermaßen abenteuerlich inszeniertes und mit Fantasy-Einschüben versehenes Filmerlebnis an, das Regisseur Marc Munden („Utopia“) dann allerdings nur sehr bedingt einlöst. Im Grunde nimmt die Bewegtbildvorschau nämlich sämtliche dynamischen Gartenszenen vorweg – was bedeutet, dass es so viele nicht sind. Stattdessen erzählt Munden bevorzugt in dunklen Räumen vom Schicksal eines hochnäsigen Waisenmädchens und setzt sich viel mit Tod, Trauer und Verlust auseinander. Also im Grunde ein wenig wie das famose Fantasydrama „Sieben Minuten nach Mitternacht“ von J.A. Bayona, nur in längst nicht so ausgewogen und emotional, denn irgendwie muss da ja auch noch der magische Garten Platz finden.

Gewiss: Wenn sich Munden und sein Drehbuchautor Jack Thorne („Wunder“) den Roman zum Vorbild nehmen wollen (auch wenn sie einige entscheidende Passagen drastisch verändern), dürfen sie auch an den betont düsteren Stellen nicht sparen. Doch im Falle dieser Verfilmung ist der Tonfall unausgegoren. Die düsteren Szenen, in denen die Kinder sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen, sind hier überrepräsentiert, während die diese Tristesse ausgleichenden Garten-Szenen nicht zur Genüge zur Geltung kommen; einfach weil sie auch nur einen winzigen Bruchteil ausmachen. Hinzu kommt: Ist man nicht vollständig mit der Vorlage vertraut, kann man aufgrund der verschachtelten, mit zahlreichen Rückblenden gespickten Erzählweise schon mal den Überblick verlieren. Einige Details werden sogar gar nicht erklärt. So bleibt etwa der in seinen wenigen Szenen wundervoll-lebensecht dargebotene, mit der notwendigen Prise Magie präsentierte Garten selbst das wohl größte Geheimnis in diesem Film. Und nicht nur, weil es Marc Munden nicht schafft, kein Gefühl für die Ausmaße und die Eigenschaften des Gartens zu vermitteln, sondern weil er eben kaum etwas mit ihm anzufangen weiß.

Aber es gibt neben der herausragenden Optik auch noch mehr Positives über diese Neuinterpretation von „Der geheime Garten“ zu sagen; nur finden sich die nicht, wenn man den Film als den als solchen angepriesenen Familienfilm betrachtet. Denn die Art und Weise wie hier auf den Schultern von Kindern schweres thematisches Geschütz aufgegriffen wird, funktioniert gut und erinnert gar ein wenig an „Pan’s Labyrinth“. Hinzu kommt, dass die Interaktion unter den Jungdarstellern von starken Dialogen genährt wird, die die Newcomer leider nicht immer glaubhaft übermitteln können. Oftmals verfällt insbesondere die Hauptdarstellerin Dixie Egerickx („The Little Stranger“) in einen monotonen Singsang und kann ihre zunächst so überhebliche, später immerhin deutlich zugänglichere Mary leider auch nicht wirklich sympathisch erscheinen lassen. Dafür gibt sie sich in der Anfangsphase einfach zu viel Mühe, ätzend zu sein. Und auch von Colin Firth („A Single Man“) bekommt man leider kaum etwas zu sehen.

Antje Wessels