Der große Tag

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Wie in seinem letzten Film „Auf dem Weg zur Schule“ geht es Pascal Plisson auch hier wieder um Kinder und Jugendliche, die vom sozialen Aufstieg träumen. Dafür arbeiten sie sehr hart: Da gibt es einen künftigen Wildhüter in Uganda, ein Mädchen aus der Mongolei, das sich für die Artistikschule bewirbt, einen jungen kubanischen Boxer und eine Inderin, die für ein Stipendium paukt.
Was in Plissons letzten Film so großartig funktioniert hat – der realistische Einblick in das Leben von Kindern in den verschiedensten Ecken der Welt, verbunden mit wunderbaren Landschaftsaufnahmen – wirkt diesmal gelegentlich aufgesetzt. Vielleicht liegt es an den durchinszenierten, allzu braven Dialogen, dass der Film nur selten richtig in Schwung kommt. So wird die Dokumentation vermutlich nicht an den Erfolg ihres Vorgängers anknüpfen können, aber dennoch das Zielpublikum, vor allem Schulklassen und Lehrkräfte, ansprechen.

Webseite: www.dergrossetag-film.de

Dokumentarfilm
Frankreich 2015
Regie: Pascal Plisson
Buch: Pascal Plisson, Olivier Dazat
Kamera: Simon Watel
86 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Kinostart: 10. Dezember 2015

FILMKRITIK:

Während hierzulande Eltern und Lehrkräfte mächtig damit beschäftigt sind, Kindern zu vermitteln, wie wichtig die Schulbildung für sie ist, und zwar mit gelegentlich durchaus überschaubarem Erfolg, bietet sich in ärmeren Regionen der Welt ein ganz anderes Bild: Dort reißen sich die Kinder um jede Chance, die ihnen den Weg in eine gesicherte Zukunft ermöglicht. Viele arbeiten mit eiserner Disziplin an der Verwirklichung ihres Lebenstraums. Wenn ein begabtes Kind auf diese Weise durch harte Arbeit den Weg aus der Armut schafft, dann ist das auch ein Erfolg für die ganze Familie. Pascal Plisson begleitet zwei Mädchen und zwei Jungen, die auf den wichtigsten Tag in ihrem Leben hinarbeiten: Von dem Bestehen einer Prüfung oder vom Sieg im Wettkampf hängt ihre Zukunft ab – und damit möglicherweise das Schicksal ihrer Familie, die alle möglichen Opfer gebracht hat, um ihr Kind bis hierher zu begleiten. Tom, der künftige Wildhüter in Uganda, muss die Abschlussprüfung im Nationalpark bestehen. Die hochbegabte indische Schülerin Nidhi arbeitet für ein Universitätsstipendium. Albert, der junge kubanische Boxer, hat seinen ersten großen Kampf vor sich, und die fleißige kleine Deegii aus der Mongolei will die Aufnahmeprüfung für die Artistenschule bestehen.
 
Bei aller Hochachtung vor diesen Leistungen bleiben jedoch auch gemischte Gefühle zurück, wenn kleine Kinder in die Zirkusarena oder in den Boxring geschickt werden, selbst wenn sie es vielleicht wirklich wollen. Das ultimative Leistungsprinzip, dem sich diese Kinder unterwerfen, ist bei uns zwar wieder im Kommen, bringt aber dennoch einen unangenehmen Beigeschmack mit sich, der sich kaum von dem unterscheidet, was auch hierzulande so an Gedanken auftaucht, wenn Kinder sportliche Höchstleistungen erbringen. Vielleicht aus diesem Grund wirken die beiden Ältesten in der Runde, Tom und Nidhi, am positivsten. Traumhaft schön sind die Bilder aus der afrikanischen Wildnis – die künftigen Parkranger müssen alle Tiere und ihre Gewohnheiten kennen lernen. So gibt es Aufnahmen, die Toms Klasse zeigen, wie sie gemütlich auf dem Fluss an Elefantenherden vorbeituckern oder Gorillas im Wald beobachten. Das ist dann richtig schön, und man kann sich gar nicht satt sehen an der unberührten Natur. Ganz anders sieht Nidhis Heimat aus: Sie kommt aus einer wuseligen indischen Großstadt am Ganges. Nidhi ist 16 und sowohl unheimlich begabt als auch unheimlich fleißig. Nur selten kommt sie dazu, sich mit ein paar Freundinnen zu treffen. Und selbst dann hat sie ihre Schulbücher dabei.
 
Auch aus Kuba und der Mongolei gibt es schöne Bilder. Sie zeigen Albert, der seine Boxübungen vor einem malerischen Hintergrund absolviert, oder Deegii in der Jurte ihrer Familie beim Artistentraining. Wie schon im Vorgängerfilm sind es eigentlich auch hier die Bilder, die am meisten überzeugen. Die durchinszenierten Dialoge und die Kommentare der Kids dagegen wirken teilweise sehr gestellt. Hinzu kommt ein kitschiger Soundtrack mit vollem Streichereinsatz.
 
Wer sich für die Kultur und die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in anderen Teilen der Welt interessiert, wird den Film trotz aller Abstriche gern sehen. Das Zielpublikum ist jedenfalls eindeutig bestimmbar: Kinder, Eltern, Lehrer und Schulklassen.
 
Gaby Sikorski