Der Illusionist

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Eher Insidern des Kunstbetriebs bekannt ist der Name Helge Achenbach, der wegen Betrug in Millionenhöhe im Gefängnis saß und nun von der Regisseurin Birgit Schulz eine Plattform zur Selbstdarstellung bekommt. Vorsichtig bemüht sich Schulz in „Der Illusionist“ zwar um eine Entlarvung des Betrügers, immer wieder aber erliegt sie seinem Charme.

Deutschland 2022
Regie: Birgit Schulz
Buch: Birgit Schulz & Marita Loosen-Fox
Dokumentarfilm

Länge: 94 Minuten
Verleih: RealFiction
Kinostart: 27. April 2023

FILMKRITIK:

Während seiner Zeit im Gefängnis sollen die Mithäftlinge den Betrüger Helge Achenbach als eine Art Robin Hood-Figur bewundert haben, ein Vergleich, der Achenbach ohne Frage gefallen dürfte, der allerdings einen Haken hat: Bekanntermaßen stahl Robin Hood von den Reichen, um es den Armen zu geben, während Achenbach von den Reichen stahl – und das Geld behielt, um sich und seiner Frau ein Leben im Luxus zu ermöglichen.

Als Kunstberater war der in Siegen geborene, in der rheinischen Kunst- und Geldmetropole Düsseldorf lebende und dealende Achenbach aktiv, lernte in den einschlägigen Bars und Restaurants ab Mitte der 70er Jahre Kunstgrößen wie Joseph Beuys oder Gerhard Richter kennen und vermittelte Kunst an Unternehmen und Privatmenschen.

Soweit so legal, problematisch wurde es, als Achenbach begann, für den ALDI-Besitzer Berthold Albrecht eine Kunstsammlung aufzubauen und dafür in seinen Augen eine viel zu niedrige Kommission bekam. Um mehr für sich herauszuschlagen fälschte Achenbach kurzerhand die Kaufpreise und zwackte so mehr für sich ab. Nicht unbedingt ein Robin Hood-Verhalten, sondern schlichtweg Betrug. Der zwangsläufig aufflog, Achenbach für mehrere Jahre ins Gefängnis brachte und ihn zumindest vorübergehend zur Persona non Grata der Kunstszene machte.

Angesichts der oft beschriebenen Exzesse des Kunstbetriebs, in dem oft eher mit heißer Luft gearbeitet wird, es mehr um den Schein geht, als um Talent, mutet Helge Achenbach wie die ideale Figur für einen unweigerlich satirischen Blick auf eine sehr spezielle Welt an. Birgit Schulz wählt in ihrem Dokumentarfilm „Der Illusionist“ eine neutrale Form, lässt Achenbach ausgiebig zu Wort kommen, lässt den inzwischen 70jährigen reden, sich erklären, sich rechtfertigen. Von Schuldgefühl ist kaum etwas zu spüren, Achenbach nutzt die Bühne, sich als geläuterten Mann zu präsentieren, der seine Lektion gelernt hat und nun selbst malt. Banale Landschaftsbilder, die er stolz zeigt, als stünde seine Entdeckung als Künstler kurz bevor.

Auch anderen Figuren des Kunstbetriebs, dem Fälscher Wolfgang Beltracchi etwa, wurde in Dokumentarfilmen eine ähnliche Bühne gegeben, in einer Mischung aus Bewunderung für die Chuzpe, mit der die Betrüger agierten und einer moralischen Haltung, die eher bemüht wirkte. Was vielleicht daran liegt, dass Betrüger wie Beltracchi oder Achenbach nicht durchschnittlichen Menschen das Geld aus der Tasche zogen, sondern reichen bis sehr reichen Personen, bei denen es auf ein paar Hunderttausend oder gar Millionen nicht unbedingt ankommt. Dennoch mutet es seltsam an, wie sich Filmemacher von ihren Protagonisten einlullen lassen, ihnen eine Bühne bieten, nur am Rande andeuten, welche Folgen ihr Handeln hatte. In „Der Illusionist“ kommt dieser Aspekt vor allem in Gestalt von Achenbachs Ex-Frau zum Tragen, die (vermutlich) unwissentlich in die Geschäfte ihres Ex-Mannes hineingezogen wurde und nun selbst Privatinsolvenz anmelden musste.

Der Kunstmarkt lebt von Illusionen, vom schönen Schein, den Helge Achenbach zu erwecken verstand. In Momenten gelingt es Birgit Schulz in ihrem Dokumentarfilm „Der Illusionist“, die Ambivalenz dieser Welt anzudeuten, immer wieder droht sie aber selber, dem Charme und der Verführungskraft ihres Subjekts zu erliegen.

 

Michael Meyns