Der kleine Prinz

Antoine de Saint-Exupéry pflegte sich selbst als „schriftstellernden Piloten“ zu bezeichnen, doch sein poetisches Märchen „Der kleine Prinz“ über einen abgestürzten Flieger, der in der Wüste auf einen Jungen von einem anderen Planeten trifft, gehört heute zur Weltliteratur.

Konrad Wolf, früh verstorben im Jahr 1982, war nicht nur einer der bekanntesten DDR-Filmregisseure, sondern er gilt bis heute als einer der wichtigsten Filmschaffenden im europäischen Kino mit einer großen Bandbreite an Kreativität und poetischer Sinnlichkeit. Seine Regiearbeit „Der kleine Prinz“ ist eher ein filmisches Experiment als ein Kinofilm fürs große Publikum und sicherlich kein Kinderfilm.

 

Über den Film

Originaltitel

Der kleine Prinz

Deutscher Titel

Der kleine Prinz

Produktionsland

DEU

Filmdauer

77 min

Produktionsjahr

1966

Regisseur

Wolf, Konrad

Verleih

Der filmverleih GmbH

Starttermin

16.10.2025

 

Die Geschichte dürfte bekannt sein – das ikonische Zitat „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, ist weltweit verbreitet, und zwar in allen Generationen. Konrad Wolf machte 1966 aus dem Märchen eine Art Stilübung: mit theaterhaften, sparsamen Dekorationselementen, die sich stark an den Illustrationen des Buches orientieren – auch sie stammten von Antoine de Saint-Exupéry. Der Film wird mit einer Ballade eingeleitet, gesungen von Manfred Krug. „Er war Flieger …“ lauten die ersten Worte, und sie leiten zu Bildern aus dem 2. Weltkrieg über: zerstörte Städte, Leichen, Kriegsgräuel, KZ-Überlebende. Es sind brutale Dokumente des Grauens, zu denen Manfred Krug singt: „Mensch, du musst dich erheben …“

 

Diese Einleitung weist den Weg in die bühnenhafte Inszenierung des Märchens, das sich inhaltlich und visuell stark am literarischen Vorbild orientiert. Die wichtigste Änderung ist die Darstellung des Kleinen Prinzen selbst: Konrad Wolf hat die Rolle, wie auch heute noch am Theater üblich, mit einer Frau besetzt, und zwar mit Christel Bodenstein, die aufgrund ihrer zarten Figur und ihres jungen Gesichtes unter der blond gelockten Kurzhaarperücke optisch sämtliche Vorgaben erfüllt. Sie versucht gar nicht erst, aus dem kleinen Prinzen einen klischeehaften Jungen zu machen, sondern spielt ihn als geschlechtsloses, kindlich naives und sehr niedliches Wesen zwischen den Welten – denn der Prinz kommt ja bekanntlich von einem kleinen Asteroiden, der kaum größer ist als ein Haus, auf dem er hauptsächlich damit beschäftigt war, die drei kleinen Vulkane zu putzen. Christel Bodenstein war nicht nur eine ausgezeichnete und vielbeschäftigte Schauspielerin, sondern auch Konrad Wolfs Ehefrau. Eberhard Esche, ebenfalls ein bekannter DDR-Darsteller, spielt den Piloten als sensiblen Zuhörer, der sowohl in der Rolle des Piloten und des Ich-Erzählers eine leicht melancholische Stimmung verbreitet, die über dem gesamten Film liegt. Die weiteren und kleineren Rollen verströmen als wunderliche und fantastische Gestalten ebenfalls eine leise Resignation, die von der poetischen Handlung teils konterkariert, teils aufgenommen wird. Manchmal entwickelt sich in den Dialogen ein nahezu philosophischer Charme, der sich zwar stark an der literarischen Vorlage orientiert, in seiner Bildsprache aber auch die Atmosphäre der 60er Jahre mit ihrem Widerspruch aus Aufbruchsstimmung und Kriegsangst spiegelt.  Konrad Wolf verleiht den kleineren Rollen vor allem durch Kostüme und Perücken einen symbolischen Charakter, was angenehm spielerisch wirkt.

 

Auch wenn die Special Effects vielleicht nicht mehr zeitgemäß wirken könnten: Die Geschichte selbst ist mit ihrer Fantasie und ihrer oft lyrischen Anmutung stark genug, um auch heute noch zu beeindrucken. Der Film von Konrad Wolf kann mit seinen sehr guten schauspielerischen Leistungen, seiner leisen Wehmut, die möglicherweise den Verlust der Kindheit und der Unbefangenheit zeigen soll, und seinem insgesamt sehr poetischen Habitus ein cineastisches Dokument von bleibendem und zeitlosem Wert. 

 

Heute erscheint es unvorstellbar, dass man einen Film produzieren könnte, ohne die notwendigen Rechte dafür zu haben. Doch genau das ist bei dieser Verfilmung passiert. Angeblich waren es Zuständigkeitsfragen, weshalb man erst nach Fertigstellung des Films mit dem Rechteerwerb begann. Es gab allerdings keine Einigung mit den Rechteinhabern, und deshalb konnte die Fernsehproduktion im Auftrag des DDR-Fernsehens, die einer der ersten in Farbe gedrehten und gezeigten Filme war, nur selten und dann mit einer Ausnahmegenehmigung gezeigt werden. Doch inzwischen sind die Autorenrechte erloschen, so dass der Film ganz regulär und legal im Kino laufen kann. Und dort sollte man ihn sich auch anschauen.

 

Gaby Sikorski

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