Alkohol - nicht nur in Deutschland die Volksdroge Nummer 1, auch in Dänemark wird Bier, Wein und Schnaps gerne genossen. Welche Folgen das haben kann, sowohl positive, als auch negative, davon erzählt der dänische Regiestar Thomas Vinterberg ("Das Fest") in seinem Film “Der Rausch“, der es wagt, sein Thema nicht moralinsauer zu verhandeln. Im Mittelpunkt steht ein Mann um die 40, dargestellt von Dänemarks Schauspielstar Mads Mikkelsen ("James Bond: Casino Royale"), der sich die Welt schön trinkt.
Ausgezeichnet mit 4 EUROPÄISCHEN FILMPREISEN 2020: Bester Film, Beste Regie, Bester Schauspieler (Mads Mikkelsen), Bestes Drehbuch
Website: www.weltkino.de/filme/der-rausch
OT: Druk
Dänemark 2020
Regie: Thomas Vinterberg
Buch: Thomas Vinterberg & Tobias Lindholm
Darsteller: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe, Maria Bonnevie.
Länge: 117 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 25.3.2021
FILMKRITIK:
„Der Mensch ist mit einem halben Promille Alkohol zu wenig geboren worden.“ Diese Aussage wird dem norwegischen Psychiater Finn Skårderud zugeschrieben, der sie zwar abstreitet bzw. behauptet, missverstanden worden zu sein, die aber dennoch Anlass für viele mehr oder weniger ernsthafte, um nicht zu sagen feuchtfröhliche Spekulationen war. Auch der neue Film von Thomas Vinterberg, den der dänische Regisseur zusammen mit seinem Landsmann Tobias Lindholm geschrieben hat, nimmt diese These als Ausgangspunkt für eine melancholische Studie über Männer in der midlife crisis.
Hauptfigur ist Martin (Mads Mikkelsen) ein Geschichtslehrer an einem Gymnasium in einer dänischen Kleinstadt, verheiratet mit Anika (Maria Bonnevie), zwei Kinder, nettes Haus, eine bodenständige, mittelständische Existenz. Anfang 40 ist Martin und vollkommen gelangweilt von sich, seiner Arbeit, seinem Leben.
Eher aus Pflichtgefühl denn mit Begeisterung schleppt er sich zum 40. Geburtstag seines Freund und Kollegen Nikolaj (Magnus Millang), der zusammen mit Tommy (Thomas Bo Larsen) und Peter (Lars Ranthe) – ebenfalls Lehrer – begossen werden soll. Zumindest die drei Anderen stoßen mit exquisitem Wodka und Wein ein, während Martin sich zurückhält: Er müsse schließlich fahren und wolle später noch einige Klassenarbeiten korrigieren. Doch dann kann er der Gruppendynamik, auch dem gesellschaftlichen Druck nicht widerstehen und nimmt auch einen Schluck. Und es bleibt nicht bei einem.
So gut habe er sich lange nicht gefühlt, berichtet er am nächsten Tag seinen Freunden, und so fällen sie einen Plan: Einen regelmäßigen Pegel wollen sie halten, nicht so viel, dass sie betrunken sind, aber genug, dass sie angetrunken sind und dadurch mit neuer Energie und Lebensfreude durch den Tag gehen. Gesagt getan, schon vor dem Unterricht nimmt Martin den ersten Schluck aus der Wodka-Flasche und siehe da: Alles wird auf einmal rosig, seine Schüler sind begeistert von seinen neuen Lernmethoden, in denen er ihnen auch beibringt, dass ein großer Staatsmann wie Churchill regelmäßig dem Alkohol zusprach, während Hitler praktisch Abstinenzler war.
Lange kann dieser kollektive Rausch natürlich nicht gut gehen, doch es ist die größte Stärke von Vinterbergs Film, dass er sein Thema nicht moralisiert. Während ein Hollywood-Film wohl unweigerlich gezeigt hätte, wie eine Figur wie Martin seinen Irrtum erkennt, beschließt mit dem Trinken aufzuhören, um seine Ehe zu retten, bleibt „Der Rausch“ wahrhaftiger, ehrlicher. Freuden und Leid des Trinkens werden angedeutet, positive wie negative Aspekte einer Droge, die gleichermaßen verheerende Folgen für jede Volkswirtschaft hat, ohne deren Funktion als sozialer Kitt eine Gesellschaft allerdings auch kaum denkbar erscheint.
Mit einem Trinkspiel der gymnasialen Jugend beginnt der Film, mit einer ausgelassenen Feier endet er, dazwischen liegen euphorische wie tragische Momente, Szenen des Rausches und des anschließenden Katers. Ob man nach diesem Film lieber einen Wein oder einen Tee trinkt, das bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen.
Michael Meyns