Nicht nur in Gaza sterben mit unschöner Regelmäßigkeit Journalisten, auch andere Länder im Nahen Osten sind ein mehr als gefährliches Pflaster, zumal wenn man kritisch berichten will. So im Iran, wo das klerikale Regime sich seit Jahrzehnten an der Macht hält und zunehmend brutal gegen Proteste vorgeht. Ein Opfer war der Reporter Ruhollah Zam, dessen Geschichte in „Der Sohn des Mullahs“ fast wie eine Spionagegeschichte erzählt wird.
Son of the Mullah
Schweden/ Deutschland 2023
Regie: Nahid Persson Sarvestani
Dokumentarfilm
Länge: 100 Minuten
Verleih: rise and shine cinema
Kinostart: 13. Juni 2024
FILMKRITIK:
Vom „Langen Arm des Regimes“ ist oft die Rede, wenn etwa im Berliner Tiergarten ein asylsuchender Russe ermordet wird oder in der saudischen Botschaft in Istanbul ein kritischer Journalist. Auch die Geheimdienste des Irans sind berühmt und berüchtigt und spielen im Verlauf von Nahid Persson Sarvestani Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ eine zunehmend sinistere, wenngleich nicht vollständig aufgeklärte Rolle.
Dass ihr Filmprojekt diese Wendung nehmen würde, hatte Nahid Persson Sarvestani – die im iranischen Shiraz geboren wurde und im Zuge der iranischen Revolution migrierte – wohl nicht geahnt. Anfangs ging es der in Stockholm lebenden und arbeitenden Filmemacherin nur um ein Porträt ihres Landsmanns Ruhollah Zam, einem im französischen Exil lebenden iranischen Journalisten.
Im Iran hatte Zam, der Sohn eines hochrangigen Mullahs, jahrelang gegen die Korruption des Regimes angeschrieben, Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung angeprangert. Nach der umstrittenen Wiederwahl des radikalen Mahmud Ahmadineschad, dem er Wahlfälschung vorwarf, musste Zam fliehen und begann auf der Website AmadNews aus dem Ausland zu berichten. Eine seiner Quellen waren kurze, meist mit Handys gefilmte Sequenzen, die die dunkle Seite des Regimes zeigten: Polizeigewalt, willkürliche Verhaftungen, Niederschlagung von Demonstrationen.
Immer wieder kritisierte Zam dabei nicht nur die politische Führung des Irans, sondern auch den Klerus, bei dem die eigentliche Macht des Staates liegt. Dass er sich damit zum Feind des Regimes entwickelte, kann nicht überraschen. Die Folge war ein Leben unter Polizeischutz, das Zam jedoch nicht davon abhielt, weiter die Missstände im Land anzuprangern.
Ebenso wie Nahid Persson Sarvestani, die aus dem Ausland für die Rechte der Frauen im Iran kämpfte, bei einem Besuch in ihrer Heimat sogar von der Geheimpolizei verhaftet und verhört wurde. Zu welchen Methoden das Regime greifen kann war Sarvestani bei der Arbeit an „Der Sohn des Mullahs“ also gewiss bewusst, wie sich die Geschichte während der Dreharbeiten jedoch entwickeln sollte, konnte jedoch niemand ahnen.
Wie ein Agentenkrimi wirkt der Dokumentarfilm dann auch bisweilen, mit einer etwas aufdringlichen, spannungsgeladenen Musik unterlegt, die gar nicht nötig gewesen wäre. Denn welches Schicksal Ruhollah Zam erlitt, ist haarsträubend: Mit dem Versprechen, ein Interview mit einem wichtigen Mullah zu bekommen, wurde Zam in den Irak gelockt und dort offenbar von iranischen Geheimagenten entführt und nach Teheran verschleppt. Dort war er im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert, ein Geständnis wurde erpresst, ein Schauprozess durchgeführt und Zam im Dezember 2020 hingerichtet.
Eine besonders perfide Note bekommt diese Geschichte dadurch, dass es dem iranischen Geheimdienst offenbar gelungen war, Agenten ins unmittelbare Umfeld von Zam einzuschleusen, die ihn schließlich verrieten.
Anders als ein Spionagefilm es tun würde, lässt Nahid Persson Sarvestani ihren Film jedoch nicht mit diesem Moment enden, sondern stellt dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit etwas entgegen: Zams Tochter Niaz ist da zu sehen, wie sie bei einer Protestveranstaltung spricht, offenbar gewillt, das Erbe ihres Vaters fortzusetzen.
Michael Meyns