Er hat es schon wieder getan. Nach „Der Vorname“ (2018; 1,2 Mio. Tickets) und „Der Nachname“ (2022; 860.000 Tickets) präsentiert Erfolgsfilmer Sönke Wortmann nun den dritten Streich der bissigen Familienfarce. Diesmal versammeln sich die zänkischen Neurosen-Züchter in einer imposanten Luxusherberge in den Tiroler Alpen zur Hochzeit in trauter Runde. Abermals herrscht bei der schrecklich netten Familie Rechthaberei und Streit - und die Zündschnüre der Anwesenden sind bekanntlich recht kurz. Das gut aufgelegte Star-Ensemble hat auch beim dritten Streich spürbar Spaß an dieser Farce. Ein furioses Dialog-Feuerwerk samt dem richtigen Gespür für Pausen und Pointen sorgt für ziemlich beste Unterhaltung.
Webseite: https://constantin.film/news/der-spitzname-ab-19-dezember-2024-im-kino/
D 2024
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Iris Berben, Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Kya-Celina Barucki, Jona Volkmann;
Filmlänge: 90 Minuten
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 19. Dezember 2024
FILMKRITIK:
Vom seichten „Superweib“ zur ambitionierten „Päpstin“, von der schwulen Comic-Verfilmung „Der bewegte Mann“ zur doppelten Fußball-Heiligenverehrung in „Das Wunder von Bern“ und „Deutschland - Ein Sommermärchen“ - kaum ein Regisseur bietet ein solch illustres Spektrum an Filmen wie der chronische Zuschauermillionär Sönke Wortmann. Für reichlich Publikumspotenzial sollte auch „Der Spitzname“ sorgen. Zum einen wegen dem Wiedererkennungseffekt: Über jene schrulligen Typen eines grotesken Clans ließ sich bereits in zwei Vorgängern köstlich kichern. Gut aufgewärmt gilt auch für Komödien der bekannte Gulasch-Effekt. Zum anderen sorgen ausreichend neue Ideen dafür, das bewährte Figurenkarussell in Schwung zu halten.
„Die Ehe ist der Anfang und Gipfel aller Kulturen. Aber Goethe hatte nicht immer recht“, so schwadroniert der chronische Besserwisser Stephan (Christoph Maria Herbst) gleich zum Auftakt als Ich-Erzähler. Im Skilift gibt er eine kleine Einführung in das Who-is-Who seiner buckligen Verwandtschaft sowie zum Anlass der Reise in das Luxus-Domizil in den Tiroler Alpen. Sohn Thomas (Florian David Fitz), der karrieresüchtige Immobilienmakler, will seine Anna (Janina Uhse) heiraten, die es als Schauspielerin überraschend zu einiger Bekanntheit gebracht hat. „Trotzdem bleibt Anna auf dem Teppich, vorausgesetzt, er ist rot“ weiß der künftige Schwiegervater über das baldige Familienmitglied. Zu den weiteren Hochzeitsgästen gehören Stephans Gattin Elisabeth (Caroline Peters), die ihre Lehrerstelle reduziert hat, um heimlich mit ein bisschen Bitcoin-Handel das Einkommen aufzubessern. Sowie das etwas ungleiche Ehepaar René (Justus von Dohnányi) und Doro (Iris Berben), die gerne in Streit um die Erziehung ihrer Zwillinge geraten. Als nächste Generation sorgen 18-jährige Cajus (Jona Volkmann) und seine ein Jahr jüngere Schwester Antigone (Kya-Celina Barucki) für diverse Teenie-Aufstände. Für die woken Kids ist korrektes Gendern ebenso Pflicht wie die freie Auswahl der Pronomen. Was bei Dauer-Nörgler Stephan für chronischen Ärger sorgt. Dass er selbst wegen dem Gebrauch des „N-Worts“ soeben seine Dozentenstelle an der Uni verloren hat, ahnt noch niemand der Anwesenden. Geheimniskrämerei gehört freilich zur Familientradition. Sei es Aufsteiger Thomas, der sein Handy aus mysteriösen Gründen mit in die Sauna nimmt. Oder Teenager Cajus, der einen rigorosen Schritt gemacht hat, von dem er bislang nur seiner Schwester zu erzählen traute.
Dem Star-Ensemble macht dieser dritte Streich spürbar Spaß. Von Routine ist da wenig zu spüren, viel mehr von der Lust, sich die Pointen-Bälle ganz uneigennützig zuzuspielen. Die wissen was sie können, und sie können alle was. Das gilt auch für die beiden Teenie-Newcomer Kya-Celina Barucki und Jona Volkmann, die es mit ihrem leindwandpräsentem Charme lässig mit den alten Schauspiel-Hasen aufnehmen. Und Cajus-Mime Jona Volkmann mit seinem melancholischen „Menschen wie wir“-Song zusätzliche Sympathie-Punkte sammeln kann.
Unangestrengtheit war schon immer ein Markenzeichen von Comedy-Maestro Sönke Wortmann. Ebenso sein gutes Gespür für Timing und die passenden Pausen. Beides bringt er abermals in dieser dritten Farce-Fortsetzung seiner Familien-Saga furios zur Geltung. Wiederum kann er sich dabei auf Drehbuchautor Claudius Pläging verlassen. So gekonnt selbstironisch zwischen blasierter Woke-Blase, grotesker Gender-Götterdämmerung und pampiger Besserwisserei zu jonglieren bedarf schon eines cleveren Pointen-Lieferanten, der auch „Kroymann“ zur Premium-Comedy im deutschen Fernsehen macht. „Klingt ein bisschen so, als hätte es eine KI geschrieben. Jedenfalls nicht die Bezahlversion“ meckert Stephan irgendwann einmal. Für dieses Drehbuch kann das kaum gelten. Für alle Fans des ersten Teils: Auch mit Adolf gibt’s ein kleines Wiedersehen.
Dieter Oßwald