In „Bis ans Ende der Nacht“ bezog sich Christoph Hochhäusler noch auf das Kino von Rainer Werner Fassbinder, im Nachfolger „Der Tod wird kommen“ steht der französische Gangster-Film im Stile Jean-Pierre Melvilles Pate. Auf französisch gedreht, was zur Distanzierung beiträgt und für einem kalten Film sorgt, der mehr mit dem Kopf als mit dem Bauch oder gar dem Herz gedreht scheint.
La mort viendra
Deutschland/ Belgien/ Luxemburg 2024
Regie: Christoph Hochhäusler
Buch: Christoph Hochhäusler & Ulrich Peltzer
Darsteller: Sophie Verbeeck, Delphine Bibet, Louis-Do de Lencquesaing, Marc Limpach, Nassim Rachi, Pitcho Womba Konga
Länge: 101 Minuten
Verleih: w-film
Kinostart: Frühjahr 2025
FILMKRITIK:
Brüssel, der Kurier Yann (Pitcho Womba Konga) wird von der Polizei gestoppt, das unter einem Gemälde versteckte Geld entdeckt. Es gehörte Charles Mahr (Louis-Do de Lencquesaing), dem schwer kranken Gangsterboss der Stadt, der seinen Rivalen Patric de Boer (Marc Limpach) als Schuldigen ausgemacht hat. Spätestens nachdem der auf Kaution freigelassene Yann ermordet wird, sinnt Mahr auf Rache.
Er heuert die Auftragskillerin Tez (Sophie Verbeeck) an, die zu ermitteln beginnt. Die blinde Bordellbesitzerin Mela (Delphine Bibet) liefert Hinweise, doch die Spuren sind verwirrend. Bald wird auch Tez verfolgt und findet sich in einem kaum durchschaubaren Geflecht von Intrigen und Verrat.
Um Blicke, um das Sehen geht es in den Filmen von Christoph Hochhäusler oft, um Wahrheiten, die Figuren nicht erkennen, um Realitäten, die ignoriert werden. All das eingebunden in Filme, die deutlich als Zitate, als Hommagen an große Genrevorbilder gedacht sind: Mal war das amerikanische Paranoia-Kino der 70er Jahre Inspirationsquelle, mal das Kino Rainer-Werner Fassbinders, immer das französische Gangster-Kino um Jean-Pierre Melville, der auch Thomas Arslan prägte, einen der anderen Regisseure der Berliner Schule.
Es ist Zufall, dass auch in Arslans letzten Film „Verbrannte Erde“ ein Gemälde eine wichtige Rolle spielt, andererseits passt es zur Art eines Filmemachens, das nicht zuletzt als Spiel mit Zitaten funktioniert. Bei Hochhäusler heißt das Gemälde „Hecuba blendet Polymnestor“, stammt vom italienischen Maler Giuseppe Maria Crespi und zeigt eine Variation der klassischen Sage. Im Film selbst wird als das nicht erwähnt, man kann es wissen oder auch nicht, wie so viele der literarischen, kunsthistorischen und vor allem filmischen Verweise.
Erkennt man die Verweise mag „Der Tod wird kommen“ als cleveres, komplexes Spiel mit Zitaten funktionieren, die Hochhäusler Expertise belegen. Tut man das nicht, bleiben die Figuren selbst übrig, die allerdings so skizzenhaft bleiben, dass es schwer fällt, ihnen Nahe zu kommen.
Zumal viele Figuren des übergroßen Ensemble kaum mehr als in ein oder zwei Szenen auftauchen, für lange Passagen verschwinden, um dann wieder aufzutauchen, wenn es das Handlungskonstrukt verlangt. So wie auch andere Motive angerissen, aber nicht weitergeführt werden, von artifiziellen Sexpuppen und Bordellen, bis zu moralischen Abhängigkeiten und persönlichen Interessen.
Und auch Brüssel selbst spielt nur eine untergeordnete Rolle, die Architektur der belgischen und in gewisser Weise auch europäischen Hauptstadt sorgt zwar für einige interessante architektonische Motive, der Textur, dem Geruch, dem Gefühl der Stadt kommt Hochhäusler nicht nahe. Zum Teil mag das an dem Versuch gelegen haben, zum ersten Mal in einem fremden Land, einer fremden Sprache zu drehen, was zwar die Bezüge zu den großen Vorbildern noch deutlicher werden lässt, aber auch die Defizite umso frappierender herausstellt.
Am Ende bleibt eine sehr verkopfte, akademische Fingerübung, die zwar eine große Kenntnis des Genres verrät, aber nur bedingt als eigenständiges Werk überzeugt.
Michael Meyns