Hat Künstliche Intelligenz Gefühle? Können Roboter mehr sein, als nützliche, aber im Kern doch dumme Gehilfen? Fragen, mit denen sich nicht nur die Menschheit in den nächsten Jahren beschäftigen wird, sondern die auch in „Der wilde Roboter“ mitschwingen, einem oft spektakulär animierten Film, der bisweilen zwar etwas didaktisch wirkt, aber das Herz an der richtigen Stelle hat – auch das künstliche.
Der wilde Roboter (The wild Robot)
USA 2024
Regie: Chris Sanders
Buch: Chris Sanders nach dem Roman von Peter Brown
Animationsfilm
Länge: 101 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 3. Oktober 2024
FILMKRITIK:
Eine einsame Insel, irgendwo im Ozean, keine Menschen weit und breit, nur diverse Tiere – und ein Roboter. Als Strandgut war Rozzum 7134, bald nur noch Roz genannt an Land geschwemmt worden, neugierige Tiere hatten den Roboter angeschaltet, der sofort in den Hilfsmodus schaltete: Welche Aufgabe darf ich erfüllen fragte Roz die Tiere, die verschreckt davonliefen.
Erst nachdem Ros unglücklicherweise das Nest einer Gänsefamilie weitestgehend zerstört hatte, fand der aus einem runden Oberkörper, einem runden Kopf und vier teleskopartigen Gliedmaßen bestehende Roboter seine Lebensaufgabe: Denn ein Ei war übriggeblieben, aus dem bald ein kleines Gänseküken schlüpfte und unweigerlich Roz als seine Mutter ansah.
Die weiß anfangs gar nicht wie ihr geschieht, doch mit der Hilfe des cleveren, aber auch einsamen Fuchses Fink, beginnt sich Roz bald in der Mutterrolle von Brightbill, wie das Küken getauft wird, einzuleben. Drei Aufgaben gilt es zu erfüllen: Brightbill zu füttern, ihm das Schwimmen beizubringen, vor allem aber das Fliegen, damit er im Herbst mit den anderen Gänsen die Insel verlassen kann und nicht im Schnee erfriert.
Lange Zeit scheint die Welt von „Der wilde Roboter“ ohne Menschen zu existieren, scheinen nur Tiere und künstliche Wesen auf einer Erde zu leben, die offenbar in einer Zeit nach einer großen Klimakatastrophe existiert. Diese Ahnung wird später ganz nebenbei bestätigt, wenn die Gänse an den unverwechselbaren roten Pfeilern der Golden Gate Bridge vorbeifliegen, die nur noch leicht aus dem Wasser ragen.
Dass die Menschen inzwischen in futuristischen Retortenstädten leben, in riesigen Gewächshäusern Nahrungsmittel anbauen und die meiste Arbeit von Robotern und anderen Formen der Künstlichen Intelligenz ausgeführt werden, lässt den Kontrast zu der unberührten Natur auf der Insel nur noch größer erscheinen.
Durch ihre Fähigkeit zum Selbstlernen war es Roz schnell gelungen, die verschiedenen Tiersprachen zu lernen, so dass Kommunikation zwischen den Arten möglich wurde. Und damit auch für das langsame Entstehen einer ungewöhnlichen Familie, die allen Widrigkeiten trotzt.
Ein wenig didaktisch mutet es in Momenten an, wie Autor und Regisseur Chris Sanders Roz, Brightbill und Fink als Patchwork-Familie inszeniert, die später auch noch eine Art Arche Noah aufmachen, um die gesamte Tierwelt durch den Winter zu bringen.
Doch nicht nur hier merkt man, das Sanders aus der Disney/Pixar-Schule kommt, wo er Filme wie „Lilo & Stitch“ drehte, auch stilistisch schöpft er in „Der wilde Roboter“ aus dem Vollen. Die Animation von Tieren, vor allem ihrem Fell, hat inzwischen spektakuläre Qualität erreicht, die Sanders hier aber nie in bis zum Fotorealismus treibt. Verspielt wirkt die Animation der Tiere und des Roboters, überwältigend die Bilder der weiten Natur, die in ihren satten, weichen Farben mit der kalten, futuristischen Stadt der Menschen kontrastiert. Mit der Frage ob Tiere, vielleicht sogar zumindest manche Roboter die besseren Menschen sind, entlässt Chris Sanders sein Publikum aus dem Kino, aber keine Sorge, diese und andere Fragen zum Verhältnis von Natur und unterschiedlichen Wesen schwingen nur unterschwellig mit, denn im Kern bleibt „Der wilde Roboter“ ein visuell eindrucksvolles, humorvolles und anrührendes Abenteuer.
Michael Meyns