Der Wolf und der Löwe

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Imposante Natur, die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier, die Gefahr durch Wilderer und Jäger – wie schon bei seinem Welterfolg „Mia und der weiße Löwe“ setzt Regisseur Gilles de Maistre auch in seiner neuen Arbeit auf einen Mix aus Natur-, Abenteuer- und Tierfilm. Das Ergebnis fällt zwiespältig aus. Einerseits verfügt „Der Wolf und der Löwe“ über traumhafte Naturimpressionen und realistische, tolle Tieraufnahmen. Andererseits lässt der Film inhaltliche Nuancen, spannenden Figuren und eine mitreißende Dramaturgie vermissen.

Website: www.studiocanal.de/kino/der_wolf_und_der_loewe

Le loup et le lion
Frankreich 2021
Regie: Gilles de Maistre
Darsteller: Molly Kunz, Graham Greene, Charlie Carrick, Rhys Slack
Länge: 100 Minuten
Verleih: StudioCanal
Kinostart: 17.3.2022

FILMKRITIK:

Nach dem Tod ihres Großvaters entscheidet sich die zwanzigjährige Alma (Molly Kunz) wieder dorthin zurückzukehren, wo sie aufwuchs: auf eine Insel inmitten der gewaltigen kanadischen Wälder. Kaum dort angekommen, trifft sie auf einen Wolfswelpen – schließlich sind Wildtiere in den Wäldern Kanadas nichts Außergewöhnliches. Ihr Großvater und die Mutter des Jungtieres waren bereits Freunde. Liebevoll kümmert sich Alma um das Tier, das nicht das Einzige bleiben wird. Denn wie durch ein Wunder findet Alma nach dem Absturz eines Privatflugzeuges wenig später ein Löwenjunges, das sich an Bord befand – und das Unglück als scheinbar einziges Lebewesen unbeschadet überstanden hat. Alma zieht die Jungtiere mit Liebe und Sorgfalt groß. Doch ein Zirkusdirektor, Wilderer und die Forstbehörde haben es auf die Tiere abgesehen.

Vor drei Jahren gelang dem Franzosen Gilles de Maistre mit „Mia und der weiße Löwe“ der große Durchbruch. Darin erzählt er von der besonderen Beziehung zwischen einem Mädchen und einem Löwen, die sich auf eine gefährliche Reise begeben – ganz ohne CGI und stattdessen mit echten Tieren. Auf Authentizität und Realismus setzt de Maistre auch in „Der Wolf und der Löwe“, der über einen Zeitraum von rund zwei Jahren an Originalschauplätzen, unter anderem im landschaftlich beeindruckenden Nordosten Québecs, entstand.

Die malerischen Kulissen und epischen Aufnahmen der Tannenwälder, Seen und verschneiten Berge sind dann auch eines der großen Highlights des Films. Neben den eher an eine Doku erinnernden, wahrhaftigen Tieraufnahmen, für die sich de Maistre die Unterstützung der erfahrenen Tiertrainer Kevin Richardson und Andrew Simpsons sicherte. Die Zwei sind auf die Arbeit und Filmaufnahmen mit Wölfen und Löwen spezialisiert.

Leider vergisst de Maistre darüber die Ausgestaltung sowie Charakterzeichnung der menschlichen Darsteller, denen das Drehbuch zu wenig Beachtung schenkt. So wirkt etwa Almas Motivation, ihr Studentenleben in L.A. Hals über Kopf hinter sich zu lassen und als blutjunge Frau ein zurückgezogenes Leben in der Abgeschiedenheit der Natur zu führen, wenig glaubhaft. Hinzu kommen einige schematisch angelegte, reißbrettartig gezeichnete Nebenfiguren, die nur Phrasen und kitschige Kalendersprüche von sich geben (Alamas Großvater und vor allem ihr Onkel, gespielt vom Oscar-Nominierten Graham Greene).

Jüngere Zuschauer dürfte die Tatsache, dass die Story recht flach und allzu simpel gehalten ist, vielleicht weniger stören. Ebenso wie die Kinobesucher, die sich „Der Wolf und der Löwe“ nur der Tiere wegen ansehen. Bei allen anderen Zuschauern besteht die Gefahr, dass diesen das flache, wenig originelle Drehbuch missfällt, das einen absehbaren Storyerlauf und eine wenig überraschende Dramaturgie vorgibt.

Dafür hält der Film etliche lehrreiche, zentrale Botschaften und für junge Menschen wichtige Weisheiten parat. Darunter der Wert der (unberührten) Natur und Freundschaft. Und: Wie entscheidend es ist, einander trotz verschiedener, gegensätzlicher Lebensentwürfe und Vorbehalte zu akzeptieren. Schließlich leben hier ein Mensch, ein Löwe und ein Wolf genau dies vor: Wie aus Unterschiedlichkeit echte, tiefe Freundschaft entstehen kann.

Björn Schneider