Der Zopf

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Laetitia Colombani hat mit „Der Zopf“ ihren eigenen Roman aus dem Jahr 2017 verfilmt. Sie erzählt die Geschichte dreier Frauen – einer in Indien, einer in Italien, einer in Kanada –, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnten, die aber etwas verbindet. Diese gibt es recht offensichtlich, wirkmächtiger ist jedoch das Gefühl einer geteilten menschlichen Erfahrung, die einfach jeden erfasst.

Webseite: https://www.wildbunch-germany.de/

The Braid
Frankreich / Kanada / Italien / Belgien 2023
Regie: Laetitia Colombani
Buch: Laetitia Colombani, Sarah Kaminsky
Darsteller: Kim Raver, Fotinì Peluso, Mia Maelzer

Länge: 121 Minuten
Verleih: Wild Bunch Germany
Kinostart: 7. März 2024

FILMKRITIK:

Es sind drei Geschichten, die Laetitia Colombani miteinander verwebt und abwechselnd erzählt. Der Anfang findet in Indien statt, in der Smita mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt. Sie sind Unberührbare und gehören damit der niedrigsten Kaste an. Smita wünscht sich ein besseres Leben für ihre Tochter, weswegen die Familie eine gefährliche Reise auf sich nimmt. In Italien muss Giulia nach einem schweren Unfall ihres Vaters die Perückenmanufaktur übernehmen, aber feststellen, dass diese fast dem Ruin nahe ist. Zudem liebt sie einen Sikh, was in ihrer Gegend alles andere als toleriert wird. Sarah ist eine Anwältin in Montreal, die auf der Karriereleiter auf dem Weg nach oben ist, aber dann trifft sie ein Schicksalsschlag schwer.

Es kann für Colombani nicht leicht gewesen sein, ihren Roman auf die Erzählform eines Films mit zwei Stunden Laufzeit zu kondensieren, aber man hat nie das Gefühl, dass etwas fehlt. Zugleich verweigert sie sich auch der Versuchung, die Geschichte im Melodramatischen versinken zu lassen. Gelegenheit dazu hätte sie genug gehabt. Stattdessen wirft sie den Blick aufs weibliche Leben über Grenzen, Länder und Traditionen hinweg. Die Leben dieser drei Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein und doch verbindet sie etwas. Was, das wird am Ende klar und ist auch einigermaßen vorhersehbar.

Das ist der wohl schwächste Aspekt dieses ansonsten eindrucksvollen Films. Denn weit faszinierender ist der Gedanke einer geteilten menschlichen Erfahrung, weil die Umstände zwar unterschiedlich sein mögen, aber letztlich doch alles auf eine ganz einfache Wahrheit heruntergebrochen werden kann – dem menschlichen Streben nach Glückseligkeit.

Im Grunde werden nicht nur drei Geschichten erzählt, es stellt sich sogar das Gefühl ein, als würde man drei Filme sehen, denn Chefkameramann Ronald Plante hat für jede der drei Geschichten einen anderen Ansatz gewählt. Das beginnt bei der Farbpalette – Indien ist eher warm, Kanada kalt, Italien irgendwo dazwischen – und endet bei der Art, wie die Bilder eingefangen werden. So wirkt gerade der Teil in Indien auch sehr dokumentarisch, während etwa der italienische Teil einer gewissen Romantik nachhängt.

Colombani erzählt selbstsicher und mitreißend. Sie schafft es, dem Publikum ein Gefühl dafür zu geben, was es heißt, eine Frau zu sein, womit sie dem männlichen Publikum vielleicht ein klein wenig die Augen öffnen kann.

 

Peter Osteried