Die einfachen Dinge

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Éric Besnard, mittlerweile anerkannter Spezialist für geistige Wellness im Kino, hat zuletzt mit „À la carte!“ das Kinopublikum be- und verzaubert. Das lag unter anderem an dem großartigen Hauptdarsteller Grégory Gadebois. Auch in Besnards neuer Komödie „Die einfachen Dinge“ übernimmt der grandiose Komiker eine der Hauptrollen, und zwar die eines grummeligen, brummeligen Einzelgängers. An seiner Seite spielt Lambert Wilson („Der Klavierspieler vom Gare du Nord“) in einer liebenswert ironischen Zeitgeist-Buddy-Komödie mit vielen unerwarteten Wendungen. Gute Laune garantiert!

Webseite: https://www.neuevisionen.de/

Les choses simples
Frankreich 2023
Drehbuch und Regie: Éric Besnard
Darsteller: Lambert Wilson, Grégory Gadebois, Marie Gillain, Betty Pierucci Berthoud, Magali Bonat
Kamera: Jean-Marie Dreujou
Musik: Christophe Julien

Länge: 95 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 21. September 2023

FILMKRITIK:

Alles beginnt in den Alpen: eine grandiose Landschaft mit Wäldern, lieblichen Hügeln, kleinen Bächen und einem weiten Himmel über den Berggipfeln. Auf einer Serpentinenstraße steht ein schicker Sportwagen, davor der international tätige, hyper-erfolgreiche, hypernervöse Geschäftsmann Vincent Delcourt – ratlos. Eine Autopanne, kein Mobilnetz ... alles schlimm, ganz schlimm. Ein Motorrad brummt heran, darauf Pierre, der in einer einsamen Berghütte am Hang lebt. So lernen sie sich kennen: der schweigsame, geheimnisvolle Eremit und der ständig redende, global vernetzte Dampfplauderer, zwei Männer, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Widerwillig bietet Pierre seine Gastfreundschaft an – ganz im Sinne des Dichters Homer: Man weiß ja nie ... Möglicherweise ist der Gast ein verkleideter Gott? Aber das ist für ihn noch lange kein Grund, Rücksicht auf den verwöhnten Stadtmenschen zu nehmen. Im Gegenteil: Pierre bleibt sich treu und zieht sein Ding durch, wobei das wichtigste Gebot heißt: Hier oben auf dem Berg geht’s gemütlich zu. Pierre ist Selbstversorger und hat zwar wenig, aber alles, was er braucht. Und was noch wichtiger ist: Er macht alles gaaanz langsam und in aller Ruhe. Vincent geht ihm mit seinem dauernden Gequatsche mächtig auf den Geist, doch er bleibt höflich, wenn auch sehr einsilbig. Aber all das nützt ihm wenig, denn kaum ist Pierre den unerwarteten Gast los geworden, kehrt er schon wieder zurück.

Dies ist lediglich der Beginn einer verzwickten Handlung voller Überraschungen, in der es bald gar nicht mehr so sehr um das Stadtmaus-Landmaus-Thema und um Entschleunigung geht, sondern um das Verständnis von Männlichkeit und letztlich um die Herausforderung einer Männerfreundschaft. Und damit natürlich auch um die Geheimnisse, die jeder mit sich herumträgt. Konkret sind diese beiden Männer in ihrer ganzen Gegensätzlichkeit immer auf sich selbst zurückgeworfen: Was wollen sie eigentlich? Wie wollen sie leben? Wie wollen sie glücklich werden? Das wäre dann der ernsthafte Hintergrund dieser sehr unterhaltsamen Geschichte, die von zwei sehr gegensätzlichen, aber in ihrer Art hochgradig charmanten Männern präsentiert wird. Lambert Wilson – noch immer gutaussehend, nervös wie ein Rennpferd und genauso drahtig. Er spielt den hibbeligen Dauerredner mit tänzerischer Eleganz und mit offenkundigem Vergnügen, das er besonders zu genießen scheint, wenn er seinem Kontrahenten Pierre so richtig auf den Senkel gehen kann. Grégory Gadebois ist dagegen der Ruhepol: ein bärtiger Brummbär, wuchtig, behäbig und sehr, sehr einsilbig, sozusagen nullkomma-einsilbig. Ein Mann mit einem Geheimnis. Frauen spielen in diesem Film eine weniger wichtige Rolle, und das ist ganz gut so: Hier sollen die Männer ihre Kämpfe selbständig und ohne weibliche Unterstützung ausfechten. Marie Gillain als Nachbarin kommt dennoch eine große Bedeutung zu, aber auch diese Entwicklung ist unerwartet, so wie vieles in dieser Outdoor-Komödie, die reich ist an Überraschungen und zusätzlich – eigentlich ebenfalls ein Markenzeichen von Éric Besnard – wunderschöne Landschaftsbilder aus den Französischen Alpen bietet. Kurz und gut: ein charmanter und witziger Film mit einer hübschen Portion Tiefgang.

 

Gaby Sikorski