Die Erfindung der Liebe

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Diesen Film hat eine Katastrophe getroffen, die ihn eigentlich hätte vernichten müssen. Während der Dreharbeiten 2011 verstarb völlig überraschend die erst 26-jährige Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowsky. Trotzdem kam die Regisseurin Lola Randl im Sommer 2012 zurück zu dem Stoff und stellte den Film doch noch fertig. Aus der ursprünglichen Geschichte um eine bizarre Dreieckskonstellation wurde eine Betrachtung über das Filmemachen. Wunderbar verquer, und dabei völlig unverkopft. 

Webseite: www.dieerfindungderliebe-derfilm.de

Deutschland 2013
 Regie: Lola Randl
Buch: Lola Randl, Philipp Pfeiffer
Darsteller: Maria Kwiatkowsky, Sunnyi Melles, Bastian Trost, Samuel Finzi, Mario Adorf, Irm Herrmann, André Jung
Kamera: Philipp Pfeiffer
Länge: 104 Minuten
Verleih: NFP marketing & distribution, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 1. Mai 2014

FILMKRITIK:

Die Regisseurin (Mira Partecke) ist entsetzt: Während der Dreharbeiten zu ihrem neuen Film stirbt ihr Star (Maria Kwiatkowsky). Was soll nun geschehen? Der Produzent drängt den Drehbuchautor (Sebastian Weber) zu einer neuen Version der Story, mit der die Crew weiterarbeiten kann. Während der sich quält, haben andere eine ganz pragmatische Lösung: Die Praktikantin (Marie Rosa Tietjen) soll einspringen, ihr Gesicht wird später in der Postproduktion digital ersetzt. Die Dreharbeiten gehen also weiter, werden fortan aber überlagert von den persönlichen Querelen, Ängsten, Unsicherheiten und Reflexionen aller Teammitglieder. Der Hauptdarsteller (Bastian Trost) verliebt sich in die Praktikantin, die Regisseurin weiß nicht, was sie eigentlich sagen will, während der Autor einen Machtkomplex entwickelt.
 
Es ist nur schwer vorstellbar, unter welch schwierigen und einzigartigen Bedingungen dieser Film entstand. Da war der unmittelbare Schock angesichts der Todes einer jungen Frau, die als Nachwuchstalent gefeiert wurde. Maria Kwiatkowsky, das steht außer Zweifel, stand die Zukunft als Schauspielerin weit offen. Sie hatte nie eine Schauspielschule von innen gesehen, aber ihr Talent war unmittelbar, explosiv, mit Händen zu greifen. Neben der persönlichen Tragödie stand die Frage, was nun aus dem Projekt werden sollte. Und dazu kam noch der Umstand, dass die Produktion zwar versichert war, die Filmversicherung sich aber weigert, die Schadensumme zu übernehmen. Bis heute liegen die Produzenten mit ihr im Rechtsstreit.
 
Das der Film unter diesen Umständen überhaupt fertig gestellt wurde, ist an sich schon erstaunlich. Wie gut er gelang, macht umso glücklicher. Lola Randl hat aus einer Katastrophe eine Chance gemacht. Sie erzählt eine völlig andere Geschichte als die ursprünglich geplante. Die tiefe Krise, in die Maria Kwiatkowskys Tod jedes Team-Mitglied stürzte, fängt sie fiktional auf. Randl erzählt ihren Film nun über drei Ebenen: Da ist zunächst der Rumpf, der von den ersten Dreharbeiten 2011 übrig blieb. Dann Darsteller und Kreative, die vor der Kamera erzählen. Und eine Geschichte rund um die Dreharbeiten, die dann fortgesetzt werden. Spannend daran ist, dass die beiden letzten Ebenen ebenfalls fiktionalisiert sind, es sprechen also nicht die echten Darsteller in die Kamera, sondern Schauspieler in Rollen.
 
Auf diese Weise erzählt Randl zwar von der echten Tragödie und von Prozessen und Egos an einem Filmset. Sie fragt danach, was man da eigentlich macht, wenn man einen Film dreht. Und warum tut man sich das überhaupt an? Aber sie bleibt dabei verspielt. Die verschiedenen Ebenen ergeben immer ein schiefes Bild, eine Chiffre, die sich eindeutiger Deutung verweigert. Randl behauptet nicht, etwas zu wissen. Sie will verstehen, und das ist schon schwer genug, wenn nicht unmöglich.
 
Besonders schön an „Die Erfindung der Liebe“ ist, dass die Brüche sichtbar bleiben. Der ursprünglich geplante Film scheint immer durch, und es lässt sich erahnen, wie er hätte werden können. Insofern bleibt die jetzige Version eine berührende Hommage an eine Schauspielerin mit der Kraft und Intensität eines Orkans.
 
Oliver Kaever