Die Farbe aus dem All

Über 20 Jahre sind vergangen, seit der aus Südafrika stammende Kultregisseur Richard Stanley einen Film drehen konnte. Mit „Color out of Space“ wagt er sich nun ans schwierige Feld einer H.P. Lovecraft-Adaption, einem der Gründerväter des Horror/Science Fiction-Genres. Das Ergebnis ist ein Erlebnis, vor allem visuell.

Website: cinemaobscure.blogspot.com

Color out of Space
USA/Portugal/Malaysia 2019
Regie: Richard Stanley
Buch: Richard Stanley & Scarlett Amaris, nach der Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft
Darsteller: Nicolas Cage, Joely Richardson, Madeleine Arthur, Elliot Knight, Tommy Chong, Brendan Meyer
Länge: 111 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 5. März 2020

FILMKRITIK:

Die Kombination Richard Stanley und H.P. Lovecraft erscheint nur logisch. Mit den Kultfilmen „Hardware“ und „Dust Devil“, die entstanden bevor er 27 Jahre alt war, hatte sich Richard Stanley Anfang der 90er Jahre zu eine Geheimtipp unter Genrefreunden entwickelt. Was folgte war ein Alptraum in Gestalt der großen, teuren Hollywood-Produkton „Die Insel des Dr. Moreaus“, die xte Verfilmung eines Romans von H.G. Wells, einem anderen berühmten Autor von Genre-Literatur. Aufgrund zahlreicher Probleme wurde Stanley als Regisseur abgesetzt und konnte das Projekt, in das er viel Herzblut gesteckt hatte nicht selbst beenden.

Nun, über 20 Jahre später, nachdem er jahrelang nur Kurzfilme und eine Dokumentation drehen konnte, hat er endlich die Chance, eine seiner Visionen genau so auf die Leinwand zu bringen, wie geplant. Als Basis diente eine Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft, in der das titelgebende Mysterium weit mehr im Ungefähren bleibt als in der filmischen Adaption.

Schauplatz ist das ländliche Massachusetts, unweit des fiktiven Ortes Arkham. Seit kurzem wohnt hier die Familie Gardner, die Eltern Nathan (Nicolas Cage) und Theresa (Joely Richardson) und ihre drei Kinder: Lavinia (Madeleine Arthur) zeigt großes Interesse an heidnischen Ritualen, der Sohn Benny (Brendan Meyer) schaut dagegen gern in die Sterne und schließlich ist da noch der kleine Jack (Julian Hilliard).

Ein seltsames Ereignis zerstört die ländliche Ruhe, eine Art Meteorit landet im Vorgarten, wird von der örtlichen Polizei zwar begutachtet, aber nicht weiter beachtet. Doch bald zeigen sich seltsame Veränderungen, strahlt der Stein in lilafarbigem Licht, beginnen Eltern und Kinder sich zu verändern, zu mutieren. Sich von dem Ort des Geschehens zu entfernen, erweist sich als unmöglich, eine unbestimmte Anziehung hält die Familie trotz allem in der Nähe des Steins, des Zeichens aus dem All.

Während Lovecraft in seiner Geschichte Ursprünge und Effekte des Meteoriten und vor allem der Farben vage hält, muss Stanley sie im weit weniger für Ambivalenz geeigneten filmischen Medium visualisieren. Mit zunehmender Dauer entwickelt sich sein Version von „Die Farbe aus dem All“ dadurch zu einem reinen Farbenspiel. Fluoreszierende, halluzinogene, psychedelische Farbspiele wabern über die Leinwand und lassen die Welt und die in ihr verbliebenen Menschen zerfließen. Eindrucksvoll und bildgewaltig sind diese Momente in jedem Fall, dass sie weitestgehend losgelöst vom Rest bleiben, liegt zum Teil im Ausgangsmaterial begründet, zum Teil aber auch in Stanleys Unwillen, seine Figuren zu interessanten Charakteren zu formen. Sei es das Interesse an heidnischen Ritualen oder Astrologie, den wie stets sehr seltsam anmutenden Verhaltensweisen Nicolas Cages oder den Gründen für das selbst gewählte Exil der Familie: Vieles bleibt Stückwerk und wird in erster Linie durch eine Atmosphäre des Mysteriösen zusammengehalten. Das am Ende das außerirdische, übernatürliche Ereignis keine Erklärung hat, ist dann wieder ganz im Sinne Lovecrafts und mag als Versuch verstanden werden, Kino abseits von narrativer Klarheit als Ort des bildgewaltigen Sinnenrausch zu verorten.

Michael Meyns