Die Geschichte der Liebe

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„Historia del Amor“, die Geschichte der Liebe. Diesen Titel tragen nicht nur der Film von Radu Mihaileanu („Zug des Lebens“) und der zugrunde liegende Roman von Nicole Krauss, sondern auch das Buch im Film, das die Handlungsstränge durch verschiedene Jahrzehnte verbindet. Die französisch-kanadische Romanverfilmung erzählt die Schicksale mehrerer Hauptfiguren mit viel Emotionalität in die Breite. Die Dramatik entsteht aber kaum aus den Gefühlswelten der Charaktere heraus, sondern wird vom Score und den Dialogen von außen übergestülpt.

Webseite: www.geschichte-der-liebe.de

OT: The History of Love
Kanada, Frankreich, USA, Rumänien 2016
Regie: Radu Mihaileanu
Drehbuch: Radu Mihaileanu & Marcia Romano nach dem Roman von Nicole Krauss
Darsteller: Derek Jacobi, Gemma Arterton, Mark Rendall, Sophie Nélisse, Alex Ozerov, Torri Higginson, William Ainscough
Laufzeit: 134 Min.
Verleih: Prokino Filmverleih
Kinostart: 20. Juli 2017

FILMKRITIK:

Die Handlung beginnt in einem polnischen Dorf der 1930er-Jahre. Der Dorfschönheit Alma (Gemma Arterton) fliegen sämtliche Männerherzen zu, auch die der Freunde Léo, Bruno und Zvi. Alle drei sind unsterblich in Alma verliebt. Doch wen soll sie ehelichen? Den, der am besten schreiben kann, legt Alma fest, also Léo (Mark Rendall). Doch der Weltkrieg trennt die Liebenden, denn Almas Vater schickt die Tochter vor der Ankunft der Deutschen nach New York. Léo spart Geld für seine Nachreise und schreibt in der Zwischenzeit einen Roman für Alma, eine überlange Liebeserklärung an die „meist geliebte Frau der Welt“. Als Zvi Polen in Richtung Chile verlässt, vertraut Léo ihm das Manuskript an, mit der Bitte, es an Alma zu übermitteln. Doch dort kommt das Buch nie an...
 
Im New York des Jahres 2006 hofft der mittlerweile gealterte Léo (Derek Jacobi) immer noch darauf, dass sein verschollener Roman wieder auftaucht. Parallel dazu erhält die allein erziehende Übersetzerin Charlotte (Torri Higginson) den Auftrag, den Roman „Historia del Amor“ aus dem Spanischen zu übersetzen. Die Geschichte ist ihr wohlbekannt, immerhin bekam sie das Buch über die „meist geliebte Frau der Welt“ als Mittzwanzigerin von ihrem verstorbenen Mann geschenkt. Ihrer jugendlichen Tochter Alma (Sophie Nélisse) geht der Liebeskult allerdings zu weit. Zwar ist sie in ihren russischen Klassenkameraden verliebt, aber an die Liebe glaubt sie nicht, allenfalls an Freundschaft. Ihr kleiner Bruder Bird (William Ainscough) glaubt indes, die Last der Welt auf seinen Schultern tragen zu müssen und baut eine Arche für die nahende Sintflut.
 
Die lange, übrigens keineswegs vollständige Inhaltsangabe verdeutlicht die komplexe Erzählstruktur der Romanverfilmung. Wobei „komplex“ nur auf den ersten Blick der passende Begriff ist, denn „Die Geschichte der Liebe“ tut durch die nichtlineare Erzählweise eigentlich nur komplex. Regisseur Radu Mihaileanu verheddert sich beim Jonglieren mit den verschiedenen Zeitebenen und Schicksalen und versäumt, die Gefühle und Motivationen der Figuren plausibel zu machen. Der emotionale Kern bleibt verschwommen.
 
Zum Beispiel die weibliche Hauptfigur Alma, gespielt von Gemma Arterton („The Voices“), um die sich hier – ob direkt oder indirekt – alles dreht. Alma bleibt eine reine Projektionsfläche. Wenn sie Léo auf dem Sterbebett das Versprechen abnötigt, dem gemeinsamen Sohn nie zu verraten, dass er sein leiblicher Vater ist, ist das nichts als eine Drehbuchbehauptung, um Léos Schicksal ein bisschen dramatischer zu gestalten. Zu Hochglanzbildern der New Yorker Straßen und romantischen Impressionen der polnischen Provinz bleibt „Die Geschichte der Liebe“ so trivial wie die oft kitschigen Dialoge: „Es regnet – in unseren Herzen.“
 
Einzig die ausgetüftelte Eröffnungssequenz überragt das Mittelmaß. Die Kamera gleitet über das polnische Heimatdorf von Léo und Alma. Die einfachen Häuser zerfallen nach und nach zu Ruinen, bevor die Kamera einen stattlichen Baum erreicht, in den ein großes Herz geritzt wurde. An den Stamm gelehnt stehen Alma und Léo, die sich küssen, als Zvi ein Foto schießt. In diesem Moment steckt alles, was die kommenden 130 Minuten auswalzen.
 
Christian Horn