Die Geschichte vom Holzfäller

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Ein Arthouse-Film der besonderen Art aus Finnland, und zwar von dort, wo es besonders kalt und finster ist, aus dem Norden Lapplands. Da geht es schwarzhumorig und ein bisschen schräg her, subversiv und surrealistisch, also insgesamt alles andere als leichte Filmkost, aber dafür hoch interessant: Der Holzfäller Pepe erlebt allerhand Schreckliches – es ist, als ob sich die ganze Welt gegen ihn verschworen hat. Doch er lässt sich nicht unterkriegen und behält seinen Optimismus. Egal, was passiert.

Mikko Myllylahti, als Drehbuchautor bekannt geworden mit „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“, verpackt für seine erste Kinoregie eine Vielzahl von philosophisch-poetischen Botschaften in der relativ verstörend anmutenden Hülle eines originellen und komplizierten Spielfilms, der sich auf die Magie seiner Bilder und auf eine originelle Geschichte konzentriert.

Metsurin tarina
Finnland, Niederlande, Dänemark, Deutschland 2022
Drehbuch und Regie: Mikko Myllylahti
Darsteller: Jarkko Lahti, Hannu-Pekka Björkman, Iivo Tuuri, Mark Gassot, Katja Küttner
Musik: Jonas Struck
Kamera: Arsen Sarkisiants

Länge: 99 Minuten
Verleih: eksystent filmverleih
Kinostart: 11. Mai 2023

FILMKRITIK:

Im hohen Norden Finnlands ist nicht viel los. Das gilt besonders für die Kleinstadt, in der Pepe mit seiner Familie lebt. Der wichtigste – und vermutlich auch der einzige – Treffpunkt für alle ist die Bar, wo sich Groß und Klein, Alt und Jung versammeln und trinken, Billard spielen oder tanzen. Manchmal schweigen sich alle an, was ganz normal ist, denn in dieser Region wird nicht viel geredet. Pepe ist Holzfäller, wie die meisten seiner Freunde, und bisher war sein Leben schön und sorgenfrei. Er hat eine nette Frau und einen verständigen Sohn, der ihm auf Schritt und Tritt folgt und mit seinem Vater das Hobby teilt: Eisangeln. Der Sohn heißt Thomas, so wie Pepes bester Freund, auf den er sich hundertprozentig verlassen kann. Doch eines Tages wird unerwartet das Sägewerk geschlossen, in dem Pepe und mit ihm das halbe Städtchen arbeitet. Alle werden erstmal arbeitslos. Zusätzlich häufen sich für Pepe die privaten Schicksalsschläge. Aber Pepe macht einfach weiter, während sein altes Leben um ihn herum in sich zusammenfällt.

Eine eigenartige Atmosphäre liegt über dieser sehr merkwürdigen kleinen Stadt und über dem ganzen Film, ein bisschen so, als ob sich Surrealismus und Existenzialismus zu einem kuriosen Rendezvous verabredet haben. Da gibt es brennende Autos, die alleine durch die Gegend fahren, philosophierende Sägewerksarbeiter, einen sprechenden Fisch und ein kleines Mädchen, das einen eigenen Friseursalon leitet, um nur ein paar Beispiele zu liefern. Wenn, was selten geschieht, Leute miteinander reden, dann hören sich ihre Worte an wie Zitate oder wie Diskussionsbeiträge in einem Philosophieseminar. Das ist ein bisschen witzig; diese Art von Lakonie passt sehr gut zur dünn besiedelten Landschaft, zu den endlosen Schneefeldern ebenso wie zu den dichten Wäldern. Aber es lässt sich nicht verschweigen: Das ist alles sehr anspruchsvoll, und hier geht es richtig gebildet zu, zumindest wenn gesprochen wird. Und das ist natürlich ebenfalls komisch. Die Aktionen dagegen sind oft rustikal. Da wird geprügelt und auch schon mal gemordet, und Ehefrauen betrügen ihre Männer. Ein Kind, der kleine Thomas, verlässt seinen Vater, um sich einem wirklich sehr dubiosen Hellseher anzuschließen, der übers Land tingelt. Dazu gibt es magische und gelegentlich verstörende Bilder in oft langen Einstellungen, die von der fast immer statischen Kamera festgehalten werden. Dabei ist der Film keinesfalls düster oder pessimistisch, eher im Gegenteil. Die handelnden Personen sind von stoischer Ruhe, wenn sie aus sich herausgehen, dann ist das ein ganz schlechtes Zeichen und hat was Endgültiges. Pepe selbst (Jarkko Lahti) ist ein altersloser kleiner Mann, ein sympathischer Kerl, der praktisch den gesamten Film in einem rot-weißen Schneeanzug herumläuft, meistens lächelnd, man weiß nicht, warum. Man könnte ihn als passiven Helden bezeichnen, denn Pepe ergreift praktisch nie die Initiative. Er lässt geschehen, was geschehen soll, und unternimmt keinen Versuch, sein Schicksal zu ändern oder aufzuhalten. Sozusagen das Gegenteil einer aktiven Selbstfindung. Je länger die Geschichte dauert, desto weniger Anlass hat er dafür. Doch er gibt nicht auf. Er macht immer weiter. Das hat etwas Kafkaeskes, die Nähe zum Absurden ist dem Film in beinahe jeder Minute anzumerken. Aber es hat auch irgendwie etwas Tröstliches, als ob Pepe sich selbst und der Welt zeigen möchte, wie man am besten mit Schicksalsschlägen umgeht. Insgesamt bietet Mikko Myllylahti seinem Publikum zwar teilweise wunderschöne Bilder, aber nicht eben viel Unterstützung, was die Interpretation seines Films betrifft. Wer sich aber darauf einlässt, wird mit vielen interessanten Gedanken belohnt.

 

Gaby Sikorski