Die Goldenen Jahre

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Endlich Zeit für Familie und Hobbys! Das denkt sich Peter als er nach 37 Jahren pensioniert wird, doch es kommt anders. Denn angesichts der vielen Zeit, die Peter nun mit seiner langjährigen Frau Alice verbringt, kommen auch all die Probleme zum Vorschein, die bislang der Alltag überdeckte. Die Lösung, die Barbara Kulcsar Dramödie „Die Goldenen Jahre“ anbietet, mutet zwar utopisch an, passt aber zum Ton eines Films, der zwischen Komödie, Satire und Melodram schwankt.

Schweiz/ Deutschland 2022
Regie: Barbara Kulcsar
Buch: Petra Volpe
Darsteller: Esther Gemsch, Stefan Kurt, Ueli Jäggi, Gundi Ellert, Isabelle Barth, Martin Vischer

Länge: 92 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 17. November 2022

FILMKRITIK:

Mit der Pensionierung beginnt der dritte, der entspannte Lebensabschnitt. So zumindest hat sich das Ehepaar Alice (Esther Gemsch) und Peter (Stefan Kurt) den Ruhestand vorgestellt. Ausgelassen feiern sie zusammen mit Freunden, die Kinder schenken eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer, doch wirklich selig wirkt Peter schon hier nicht.

Am nächsten Tag, seinem ersten freien, wird er dann auch um 7.00 geweckt, die Hausarbeit soll zukünftig 50-50 geteilt werden. Und so geht es weiter: Während Peter am liebsten Fahrrad fährt und sich zum Fitness verrückten Veganer entwickelt, will Alice das Leben genießen, reisen und trinken. Immer deutlicher treten die Unterscheide zwischen den Eheleuten ans Licht, gerade die Kreuzfahrt, die Alice als Versuch ansah, sich wieder näher zu kommen, lässt die Situation eskalieren. Zumal mit dem kürzlich verwitweten Heinz (Ueli Jäggi) ein gemeinsamer Freund mitgefahren ist, der nicht anders kann, als das fünfte Rad am Wagen zu sein.

Während sich Peter um Heinz kümmert, lernt Alice an Bord die lebensfrohe Michi kennen, die sich vor kurzem von ihrem Mann getrennt hat und nun ihr Singleleben geniest. Zunehmend kommt Alice ins Grübeln und dann wagt sie es: Nach einem Landgang in Marseille kehrt sie einfach nicht an Bord zurück und nimmt sich die Auszeit, die sie schon lange gebraucht hat.

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“ oder „Das Leben ist ein Umweg“ heißt es in „Die Goldenen Jahre. Auch Barbara Kulcsars Dramödie ist nicht frei von den typischen Kalendersprüche, mit denen Filme über Best Ager, Silberrücken oder wie immer man Menschen jenseits der 65 nennen mag selten geizen. Etwas unbestimmt wirkt bisweilen der Tonfall, bewegt sich bisweilen in satirische Gefilde, die fast an Ulrich Seidlsche Frendschämregionen vordringt. Im nächsten Moment kann es dann aber melancholisch werden oder aber auch pointiert, wenn die unterschiedlichsten Lebensmodelle vorgestellt und vorgeführt werden.

Nach und nach erweist sich der von Petra Volpe geschriebene Film dann jedoch als viel universellere Geschichte, als die Hauptdarsteller vermuten lassen. In den beiden Kindern des Paares – der Sohn, der von einer Bettgeschichte zur nächsten wechselt, und die Tochter, die für eine Familie ihr Studium geschmissen hat und nun von ihrem Mann betrogen wird und ihren Kummer im Alkohol ertränkt – kommt auch die jüngere Generation zu Wort, die ebenso mit Freud und Leid von Beziehungen zu kämpfen hat, wie die Eltern. Eine Auszeit kann man auch mit 40 schon mal brauchen und nicht erst mit 65, Probleme ändern sich nur im Detail, aber nicht grundsätzlich.

Mit viel Witz, aber auch Raum für ruhige Momente inszeniert Barbara Kulcsar das Ensemble, aus dem Hauptdarstellerin Esther Gemsch herausragt. Eine pointierte Dramödie ist „Die Goldenen Jahre“ am Ende, mit einer zwar etwas utopischen Auflösung, die aber gut in den leicht überdrehten Tonfall eines Films passt der zeigt, dass das Leben mit 65 noch keineswegs vorbei zu sein braucht.

 

Michael Meyns