Die Herrlichkeit des Lebens

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„Es zählt nur der Augenblick!“ – so lautet das Motto dieser sensiblen, poetischen Love Story, die gleichzeitig von der Schönheit und der Tragik einer großen Liebe erzählt, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken.
Das Drama um Franz Kafka und seine letzte Liebe ist kein Kafka-Biopic und handelt nur peripher von seinen Werken. Stattdessen hält der Film gekonnt die Balance zwischen Melodram und romantischer Komödie, wobei Sabin Tambrea und Henriette Konfurius in den Hauptrollen die Idealbesetzung darstellen: Sie überzeugen in ihrer Darstellung eines Liebespaars, das sich im Angesicht des Todes findet und zusammenbleibt – bis zum Ende.

Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann
Drehbuch: Michael Gutmann, Georg Maas
Darsteller: Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin, Mira Griesbaum, Lionel Hesse, Manuel Rubey
Musik: Paul Eisenach, Jonas Hofer

Länge: 99 Minuten
Start: 23. März 2024
Verleih: Majestic

FILMKRITIK:

„Manchmal ist das Glück am größten, wenn es ganz klein ist“, schrieb Franz Kafka in sein Tagebuch – das Zitat steht als Motto über der Verfilmung des Romans, inszeniert vom Regie-Duo Georg Maas („Zwei Leben“) und Judith Kaufmann (Bildgestaltung für „Das Lehrerzimmer“; Co-Regie „Zwei Leben“). Ihr gemeinsamer Film bewahrt ein schönes atmosphärisches Gleichgewicht zwischen dem gelebten Glück des Moments und der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Krankheit, denn Franz Kafka ist krank – unheilbar krank, als er seine große Liebe Dora Diamant kennenlernt.

„Die Herrlichkeit des Lebens“ balanciert elegant auf dem schmalen Grat zwischen RomCom und Melodram. Das hört sich erstmal gewagt an: Franz Kafka und eine romantische Komödie? Aber es funktioniert. Im Zentrum steht ganz und gar die Liebesgeschichte der beiden ungleichen Persönlichkeiten Dora und Franz, fantastisch gut besetzt mit Henriette Confurius und Sabin Tambrea. Dem Film gelingt es, eine stimmungsvolle, leise Spannung zu bewahren, die nur wenig mit Kafkas vorsehbarem Tod zu tun hat, sondern umso mehr mit dem, was sich die beiden Liebenden gegenseitig geben können und wie sie mit dem Wissen umgehen, dass ihre Liebe ein absehbares Ende finden wird. Das hat etwas sehr Poetisches – als fein ziselierte Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichem. Visuell gelingt das durch ein zeitloses Setting, das vollkommen ohne 20er Jahre-Glamour und Vintage-Atmosphäre auskommt, und durch den Einsatz warmer, weicher Farben, was auch durch den klassisch motivierten Soundtrack unterstützt wird. Doras Engagement für die Kommunistische Partei, ihr Bekenntnis zur Arbeiterklasse und zum Judentum … all das wird gar nicht groß thematisiert, sondern gehört wie selbstverständlich zu ihrer Persönlichkeit. Auch das macht den Film interessant und spannend, er hat überhaupt nichts Besserwisserisches oder Belehrendes – das ist eine Liebesgeschichte und kein Literaturseminar.

Dabei stellen die Autoren Dora nahezu ebenso stark in den Fokus wie den Dichter. Sie ist also keinesfalls schmückendes Beiwerk, um das Leiden des Künstlers noch deutlicher zu machen – bekanntlich noch immer ein beliebtes Thema in Bildungskreisen, sondern sie ist hier eine Frau, die ihre eigene Geschichte hat. Franz und Dora begegnen sich zuerst am Ostseestrand, wo Dora eine Schar Berliner Kinder betreut. Sie fällt ihm sofort auf, und umgekehrt gilt das gleiche: Er ist tatsächlich eine faszinierende Persönlichkeit und wirkt ein bisschen schräg und schrill, nicht nur, weil er im Hochsommer am Strand im schwarzen Anzug mit Krawatte herumläuft: ein schmaler, blasser Mann von beinahe ätherischer Schönheit. Sabin Tambrea („In einem Land, das es nicht mehr gibt“) sieht Kafka sogar ein wenig ähnlich und macht aus ihm sehr glaubhaft einen humorvollen Feingeist, der vielleicht nicht direkt charmant, aber dafür sehr aufmerksam ist. Wenn er lächelt, dann hat das etwas Rührendes, als ob er das Lächeln erst noch üben muss. Tambreas Kafka ist zurückhaltend, aber nicht bedrückt und entspricht damit kaum dem landläufigen Bild von Franz Kafka.

Dora ist dagegen mehr der fröhliche und zupackende Typ. Henriette Confurius spielt sie mit natürlichem Selbstbewusstsein als mutige junge Frau, die sich ihr eigenes Leben erkämpft hat – ganz anders als Kafka, der mit seiner Familie sehr eng verbandelt ist. Franz beobachtet sie am Strand beim Tanzen, ganz ohne Voyeurismus, eher neidisch. Die beiden begegnen sich immer wieder, sie kommen ins Gespräch und werden ein Liebespaar: der schwerkranke Schriftsteller, der bisher kaum etwas veröffentlicht hat, und die lebensfrohe, viel jüngere Polin, die sich erfolgreich von ihrer Familie abgenabelt hat. Ganz allein ging sie nach Berlin, wo sie in einem jüdischen Volksheim arbeitet. Berlin ist die Traumstadt für Kafka, der Dora für ihren Mut bewundert, sich von der Familie zu lösen und ihren eigenen Weg zu gehen. Er versucht sich als Schriftsteller durchzuschlagen, ist aber auf finanzielle Unterstützung durch den Vater angewiesen. Doch für Dora macht er seinen Traum wahr und folgt ihr nach Berlin, wo sie zusammenleben. Es sind glückliche Tage, auch wenn sich Kafkas Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert.

Das Wissen um das nahe Ende ihrer Beziehung schwebt als ständige Bedrohung über dem Paar. Wie geht man damit um, wenn der geliebte Partner zum Patienten wird und wenn die Partnerin von der sinnlichen Bettgenossin zur Pflegekraft mutiert? Hier gibt es keine gepflegte, elegante TBC-Atmosphäre à la Zauberberg. Aber es gibt zwei Menschen, die sich innig lieben und die wissen, dass sie nur wenig Zeit miteinander haben. Nur der Moment ist wichtig, sagt der Film. Das Jetzt, denn in der nächsten Sekunde kann alles vorbei sein.

 

Gaby Sikorski