Die Kairo-Verschwörung

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Staatliche Einflussnahme, korrupte Regierungsangehörige, der Kampf der religiösen Eliten um Macht – Der politische Spionage-Thriller „Die Kairo-Verschwörung“ handelt von einem Studenten in Ägypten, der mitten hinein gerät in den Konflikt verschiedener Gruppierungen und Interessen. Mit klarem Blick und unaufgeregter, souveräner Inszenierung erzählt der schwedische Regisseur Tarik Saleh von komplexen Machtstrukturen und betrachtet kritisch die fehlende Trennung von Staat, Religion und Politik in dem islamischen Land.

Schweden, Frankreich, Finnland 2022
Regie: Tarik Saleh
Buch: Tarik Saleh
Darsteller: Tawfeek Barhom, Fares Fares,
Mohammad Bakri, Makram Khoury

Länge: 120 Minuten
Verleih: X-Verleih
Kinostart: 06. April 2023

FILMKRITIK:

Für Adam (Tawfeek Barhom), Sohn eines einfachen Fischers, wird ein lang gehegter Traum wahr: Er erhält ein Stipendium, um an der renommierten al-Azhar-Universität in Kairo zu studieren. Als der Großimam, das Oberhaupt der Universität, kurz nach Adams Ankunft plötzlich stirbt, setzt ein erbittert geführter, politischer Kampf um seine Nachfolge ein. In Stellung bringen sich mögliche Kandidaten, die verschiedenen religiösen Glaubens-richtungen angehören und unterschiedlicher nicht sein könnten. Kurz darauf wird Adam von Ibrahim (Fares Fares), einem undurchsichtigen Regierungsmitarbeiter, rekrutiert, um als Informant für den ägyptischen Geheimdienst zu arbeiten. Und so gerät Adam allmählich mitten hinein in den gefährlichen Strudel aus Korruption, Macht und staatlicher Lenkung.
Wenn man sich „Die Kairo-Verschwörung“ ansieht verwundert es nicht, dass der Film in Ägypten verboten wurde – erzählt er doch ohne Umschweife und sehr deutlich von der Verflechtung zwischen staatlichen Institutionen, Politik und Religion. Zwar ist in der ägyptischen Verfassung die Religionsfreiheit – theoretisch – garantiert, doch die Realität sieht anders aus. Die Regierung proklamiert den Islam als unumstrittene Staatsreligion und die Führungspositionen der entscheidenden Institutionen, nicht zuletzt der wissenschaftlichen und Bildungseinrichtungen, sind zumeist mit regierungstreuen, den (religiösen) Denkschulen der Politik folgenden Personen besetzt.
„Die Kairo-Verschwörung“ verweist unmissverständlich auf diesen Missstand und ist allein deshalb vor allem ein politischer Film, der Krimi-Elemente mit Spionage-Thriller- und Coming-of-Age-Versatzstücken mischt. Im Zentrum der Handlung steht Adam, der sich zunächst enthusiastisch und voller Vorfreude in sein neues Leben als Student stürzt. Tawfeek Barhom verkörpert diesen jungen Mann, der wenig später mehr den Interessen des Geheimdienstes als den Inhalten der Vorlesungen folgt, ausdrucksstark und glaubwürdig. Und auch wenn einige der Nebenfiguren etwas schablonenhaft und generisch angelegt sind – die Hauptprotagonisten sind komplexe, spannende Personen, die von hervorragenden Darstellern verkörpert werden.
Dazu zählt neben Barhom in erster Linie der charismatische Fares Fares mit seinem entrückten, mitreißenden Spiel. Ibrahim ist eine ambivalente, in Diensten der Staatssicherheit stehende Figur, an deren Beispiel der Film noch etwas anderes deutlich macht: wie die Regierung Menschen benutzt und regelrecht umfunktioniert, um die eigenen Bürger im Namen der Religion gefügig zu machen. Die „Staatsagenten“ werden zur Durchsetzung politischer Interessen missbraucht – notfalls mit Gewalt.
Dramaturgische Originalität ist nicht unbedingt die Stärke von „Die Kairo-Verschwörung“, dafür sind einige Entwicklungen und Story-Elemente zu vorhersehbar. Regisseur Tarik Saleh treibt diese aber konsequent und in hohem Tempo voran und bedient sich insgesamt zudem einer nüchternen, unaufgeregten Erzählweise. Etwas mehr hätte man gerne über die Motivationen und Hintergründe der unterschiedlichen Kandidaten für die Nachfolge des Großimam erfahren. Denn mannigfaltiger könnten sie nicht sein: da ist der regierungstreue Anwärter, ein fundamentalistischer Stammesführer und schließlich ein beim Volk beliebter Kandidat, dessen Gerechtigkeitssinn auch bei den Studenten gut ankommt. Allerdings verdeutlicht diese Vielfalt gleichsam die verschiedenen Denkschulen und Auslegungen des (islamischen) Glaubens.

Text: Björn Schneider