Die Liebe in ungleichen Zeiten

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Als ersten Historienfilm der Filmgeschichte Tansanias hat Amil Shivji „Die Liebe in ungleichen Zeiten“ bezeichnet, ein romantisches Liebesdrama im Schatten der Revolution. Vor dem Hintergrund des kolonialen Befreiungskampfes schildert Shivji eine zarte Liebesgeschichte auf der Insel Sansibar, gefilmt in satten Farben und viel Zeitlupe.

Vuta N'Kuvute
Tansania/ Südafrika/ Deutschland/ Katar 2021
Regie: Amil Shivji
Buch: Amil Shivji, Jenna Cato Bass, Simon Rieber, nach dem Roman von Shafi Adam Shafi
Darsteller: Gudrun Mwanyika, Ikhlas Gafur Vora, Siti Amina, Lukman Ali, Salim Ahmedy Issa, Rashid Hemed

Länge: 92 Minuten
Verleih: jip Film
Kinostart: 18. April 2024

FILMKRITIK:

Ende der 50er Jahre befindet sich auch die vor Tansania gelegene Insel Sansibar im Kampf gegen die britischen Kolonialherren. Diese unterstützen seit Jahren den Sultan der Insel, die als Schnittstelle zwischen Afrika und der arabischen Welt gilt und bis nach Indien Handel treibt.

Doch gerade die junge Generation hat genug davon, von fremden Mächten regiert zu werden und begehrt auf. So wie Denge (Gudrun Columbus Mwanyika) ein junger Revolutionär, der sich dem Kampf gegen die Briten verschrieben hat und dabei auch vor Bombenanschlägen nicht zuückschreckt.

Einen anderen Kampf ficht Yasmin (Ikhlas Gafur Vora) aus, eine indischstämmige Frau, die mit einem viel älteren Mann verheiratet wurde, aber weggerannt ist. Bei einer Freundin findet sie Unterschlupf und begegnet dort Denge. Doch auf der Insel hat ihre Liebe aus unterschiedlichsten Gründen keine Chance.

Allein dass es „Die Liebe in ungleichen Zeiten“ gibt, macht ihn bemerkenswert, denn allzu viele Filme vom afrikanischen Kontinent finden nicht den Weg in die westlichen Kinos. Die Filmindustrie in Tansania besteht vor allem als schnell und billig produzierten Action- oder Liebesfilmen, genannt „Bongo Movies“ – ähnlich der aus Nigeria stammenden Nollywood-Filme – und werden vom westlichen Festivalkino und Publikum meist ignoriert.

Das nun der zweite Spielfilm des in Dar es Salaam geborenen Amil Shivji beim Festival in Toronto gezeigt wurde deutet an, dass diese internationale Co-Produktion mit nicht nur einem Blick auf ein westliches Publikum entstand. Shivji selbst hat in Toronto Film studiert und wurde für diesen, seinen zweiten Langfilm, auch vom in Katar angesiedelten Doha Film Institute unterstützt.

Mit der anarchischen Qualität der „Bongo Movies“ hat „Die Liebe in ungleichen Zeiten“ nicht viel zu tun, lehnt sich stattdessen deutlich bei internationalen filmischen Erzählgewohnheiten an. Besonders der legendäre Wong Kar-wai hat es Amil Shivji augenscheinlich angetan, dessen „In the Mood for Love“ mehr als deutlich als Vorbild diente. Von den farbgesättigten Bildern, in denen die modrigen, verfallenen Gassen Sansibars besonders gut zur Geltung kommen, über die vielfach eingesetzten Zeitlupenaufnahmen, in denen sich die Liebenden anschmachten, bis zur sich fast identisch anhörenden melancholischen Musik: Fast könnte man Shivjis Film für ein Remake von Wongs Klassiker halten. Ein wenig gerät so in den Hintergrund, wie viel Shivji am Ende doch über die Geschichte Sansibars erzählt: Der Einfluss der Sowjetunion wird angedeutet, auch die unschuldigen, einheimischen Opfer, die dem Befreiungskampf zum Opfer fielen, von den unterschiedlichen Ethnien ist die Rede, die keineswegs als Einheit gegen die britischen Kolonialherren agierten. Auch wenn „Die Liebe in ungleichen Zeiten“ also ein Film ist, der deutlich auf ein westliches Publikum schielt: Im Kern bleibt er ein Film aus Afrika, über Afrika, der einen interessanten Blick auf eine historische Ära wirft, die im Westen kaum bekannt ist.

 

Michael Meyns