In einem Bergdorf an der Grenze zwischen Aserbaidschan und dem Iran hat Orkhan Aghazadeh seinen Film „Die Rückkehr des Filmvorführers“ gedreht, ein Hybridfilm, der markante Einstellungen wie aus einem Spielfilm, mit der Authentizität eines Dokumentarfilms verbindet. Um die Magie des Kinos geht es, um Bilder und einen Ort, der fast außerhalb der Zeit existiert.
Die Rückkehr des Filmvorführers (Le Retour du projectionniste)
Deutschland 2024
Regie & Buch: Orkhan Aghazadeh
Dokumentarfilm
Länge: 87 Minuten
Verleih: déjà-vu Film
Kinostart: 31. Oktober 2024
FILMKRITIK:
Mühsam geht der alte Mann Samid einen steilen Hang hinauf, auf dem Esel, den er hinter sich herzieht, sitzt sein Enkel Ayaz. Ein wenig erinnert das ungleiche Duo an Don Quijote und seinem treuen Gefährten Sancho Pansa, zumal Ayaz einen Laptop in der Hand hält und in den einsamen Bergen von Aserbaidschan nach Empfang sucht. Ein schwieriges Unterfangen, denn das kleine Dorf an der Grenze zum Iran existiert fernab der Zivilisation, fast wirkt es so, als würde die Zeit stillstehen.
Vor zwei Jahren ist Samids Sohn bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen, seitdem lebt der alte Mann noch isolierter vom Rest der Dorfgemeinschaft. Mit Hilfe seines Enkels soll sich das nun ändern, denn in Samids Scheune steht ein seltsames Relikt: Ein alter 35mm Filmprojektor, auf dem vor vielen Jahren regelmäßig Filme für die Dorfgemeinschaft gezeigt wurden.
Die älteren Bewohner des Dorfes erinnern sich auch noch vage an die letzte Vorführung und so beginnen die Frauen, eine Leinwand zu nähen, während die konservativen Religionswächter bedenken anmelden: Nur wenn es keine obszönen Szenen zu sehen gibt, werden sie ihr Okay zur geplanten Vorführung geben. Doch die auf die Beine zu stellen erweist sich ohnehin als schwieriger als gedacht: Die Birne für die Projektion hat natürlich längst ihren Geist aufgegeben, einen Ersatz zu bekommen, ist trotz Internet kaum möglich. Und noch ein Problem tut sich auf: Es finden sich zwar noch Rollen eines Films, allerdings fehlt die letzte und wird nun anhand der Erinnerungen der Dorfbewohner nachgestellt.
Eine Ode an das Kino ist „Die Rückkehr des Filmvorführers“; den Autor und Regisseur Orkhan Aghazadeh in der Grenzregion zwischen Aserbaidschanisch und Iran realisierte. Die streng komponierten Breitwandbilder lassen den Film oft wie einen Spielfilm wirken, lange Einstellungen der spektakulären Landschaft verstärken den melancholischen, meditativen Eindruck einer Welt, in der äußere Ereignisse, wenn überhaupt nur schemenhaft wahrgenommen werden.
Der Ukrainekrieg, der Konflikt um die von Armenien beanspruchte Region Bergkarabach werden am Rande gestreift, beeinflussen das Leben im Dorf jedoch nur marginal. So wird das Kino nicht nur zu einem Bindeglied zwischen den Generationen, sondern auch zur Außenwelt, allerdings einer längst vergangenen.
Mit den Bewohnern des Dorfes hat Aghazadeh gedreht, lässt sie in langen Einstellungen Variationen ihrer selbst spielen, lässt die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation zerfließen. Das Ergebnis überzeugt als Film über eine Welt, die wie eine Zeitkapsel fernab der Ströme der Geschichte existiert und von den Erinnerungen an vergangene Zeiten am Leben erhalten wird. Selbst das Kino weißt hier weniger in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit, denn natürlich erweist sich auch der Film, der am Ende projiziert wird, als Relikt der Vergangenheit, zumal es sich um ein indisches Melodram handelt.
Michael Meyns