Die Unschärferelation der Liebe

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Nicht selten ist das Theater Inspiration für einen Film – vor allem solche Stücke, die mit zwei Personen und begrenzten Locations auskommen. Wie „Die Unschärferelation der Liebe“, der auf Simon Stephens Stück „Heisenberg“ aus dem Jahr 2015 basiert. Es geht um einen Mann und eine Frau im fortgeschrittenen Alter, um eine zufällige Begegnung, und um mehr. Denn die von Caroline Peters gespielte Greta rückt dem von Burghart Klaußner gespielten Alexander so richtig auf die Pelle. Das Ergebnis ist wahrlich vergnüglich.

Webseite: https://www.x-verleih.de/filme/die-unschaerferelation-der-liebe/

Die Unschärferelation der Liebe
Deutschland 2023
Regie: Lars Kraume
Buch: Lars Kraume, Dorothee Schön
Darsteller: Burghart Klaußner, Caroline Peters

Länge: 85 Minuten
Verleih: X Verleih
Kinostart: 29. Juni 2023

FILMKRITIK:

An einer Bushaltestelle küsst Greta ganz unvermittelt Alexander in den Nacken. Eine Verwechslung, sagt sie. Er habe sie an ihren Mann erinnert, der vor anderthalb Jahren gestorben ist. Während sie munter weiterquasselt, will er nur weg. Aber Greta folgt ihm und redet weiter auf ihn auf. Irgendwann schüttelt er sie ab. Aber ein paar Tage später steht sie in seiner Metzgerei – sie hat ihn gegooglet und den Laden gefunden. Aber nachspioniert hat sie ihm nicht. Naja, nur ein bisschen, weil sie sich so gerne mit ihm unterhält. Alexander ist irritiert, etwas perplex, aber auf seltsame Art und Weise fühlt er sich von der jüngeren Frau auch angesprochen. Sie bringt mit ihrer quirligen Art eine Freude in sein Leben, die er längst vergessen geglaubt hat.

Simon Stephens‘ Stück ist ein anrührendes Melodram, das die Heisenbergsche Unschärferelation darauf anwendet, wie sich die Wahrnehmung von Menschen und Beziehungen verändert, und zwar je nachdem, was man darüber erfährt. Irrationale Handlungen können so durchaus vernünftig motiviert sein, was man zu wissen glaubt, ist nicht zwangsläufig auch, was wirklich ist. Entsprechend arbeitet das Stück mit Überraschungen – für die Hauptfiguren, aber auch die Zuschauer. Gleiches gilt auch für die filmische Adaption von Lars Kraume, der die Essenz des Stücks nimmt, ebenso wie die Figuren, aber sie von London nach Berlin versetzt.

Filme wie dieser leben nicht nur von den Dialogen, sondern auch den Hauptdarstellern. Burghart Klaußner und Caroline Peters sind hervorragend. Er der ältere Mann, der im Alltagstrott versunken ist und immer alles gleich macht, sie die exaltierte Frau, die gerne mal flunkert, vor allem aber auch nie zum Stillstand kommt. Sie redet ohne Punkt und Komma. Über ihr Leben – das erfundene, aber auch das reale – und über Alexander. Sie gibt Schätzungen ab, wer und was er ist, für einen Metzger hält sie ihn aber nicht.

Es ist eine Zufallsbegegnung, die die Geschichte in Gang setzt. Eine, die man erlebt und wieder vergisst – so wäre es wohl im echten Leben. Im Kosmos von „Die Unschärferelation der Liebe“ endet es nicht mit dieser einen Begegnung. Eine weitere wird forciert. Wie eine Naturgewalt bricht Greta in Alexanders Leben ein. Weil sie einsam ist? Weil sie von der Ruhe, die er ausstrahlt, geerdet wird? Weil sie nach einer Bindung sucht? Wahrscheinlich ist es ein Amalgam aus allem, geboren aus einer Großstadtbiographie, in der man zwar ständig von Menschen umgeben, aber letztlich doch ziemlich alleine ist.

Der Film zeigt, wie Greta und Alexander einander näherkommen. Mit Witz, mit Gefühl, aber auch mit melodramatischen Momenten. Die beiden Hauptdarsteller spielen bravourös – sie ziehen das Publikum in die Geschichte hinein, die vor allem eines schafft: Vom Traum zu erzählen, dass man nie zu alt ist, um die Liebe zu finden, oder um das eigene Leben zu ändern.

 

Peter Osteried