Die versunkene Stadt Z

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Sein Leben liest sich wie ein Film. Anfang des 20. Jahrhunderts brach der britische Forscher Percy Fawcett zu mehreren Expedition in den zum Teil noch unerforschten Amazonas auf. In „Die versunkene Stadt Z“ erzählte der Journalist David Grann von diesen Reisen und Fawcetts Suche nach einer alten Zivilisation. Der Erfolg des Buches ermöglichte es Regisseur James Gray („Two Lovers“, „We Own the Night“), sein ambitioniertes Filmprojekt umzusetzen. So drehte er im kolumbianischen Regenwald auf 35mm. Das Ergebnis scheint alle Mühen wert. Ein intensives, bildreiches Kinoerlebnis mit leider hochaktuellen Bezügen.

Webseite: www.studiocanal.de

OT: The Lost City of Z
USA 2016
Regie: James Gray
Drehbuch: James Gray nach der Vorlage von David Grann „Die versunkene Stadt Z“
Darsteller: Charlie Hunnam, Robert Pattinson, Sienna Miller, Angus Macfayden, Tom Holland
Laufzeit: 141 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 30.3.2017

FILMKRITIK:

Anfang des 20. Jahrhunderts fanden sich auf großen Teilen der Weltkarte noch unerforschte, dunkle Flecken. Insbesondere um entlegene Gebiete in Afrika und Südamerika rankten sich zahlreiche Legenden, die Abenteurer und Wissenschaftler gleichermaßen faszinierten. Einer von ihnen war der britische Forscher Percy Fawcett (Charlie Hunnam). Dabei begann dessen erste Reise in das riesige Amazonas-Gebiet eher unspektakulär. Im Auftrag der Royal Geographical Society sollen er und sein Mitstreiter Henry Costin (Robert Pattinson) eigentlich nur das Grenzgebiet zwischen Bolivien und Brasilien kartografieren. Mitten im Regenwald entdeckt Fawcett dann aber Tonscherben und Keramik. Es scheint, als habe ganz in der Nähe einst eine alte, bislang unbekannte Zivilisation gelebt. Zurück in London stoßen seine Ausführungen über eine untergegangene Hochkultur und ihre Stadt Z zunächst auf Unverständnis. Naturvölker gelten seinerzeit als primitiv und ungebildet. Doch Fawcett bleibt bei seiner Meinung. Schließlich gelingt es ihm, eine zweite Expedition zu organisieren.
 
Für die Verfilmung des Sachbuch-Bestsellers „Die versunkene Stadt Z“, in der Autor David Grann Fawcetts wiederholte Expeditionen in den Amazonas bis zu dessen mysteriösem Verschwinden nacherzählte, verließ Regisseur James Gray seine gewohnte Arbeitsumgebung. Die Weltmetropole New York, wo Filme wie „Two Lovers“ und „Helden der Nacht – We Own the Night“ entstanden, tauschte er gegen den kolumbianischen Dschungel ein. Ihm ging es darum, nicht bloß in Studiokulissen eine Urwald-Kopie abzufilmen. Die Schauspieler und mit ihnen die Zuschauer sollten der echten Wildnis begegnen. Im Gegenzug mussten logistische Hindernisse wie die Entwicklung des belichteten Filmmaterials – Gray und sein Kameramann Darius Khondji drehten auf 35mm –, überwunden werden. Bedenkt man, welcher Bedeutung dem Dschungel in Granns Vorlage zukommt und wie fasziniert Fawcett von ihm war, so erscheint Grays Entscheidung nachvollziehbar. Sie ist sogar die einzig Richtige.
 
Noch bevor das erste Bild des Amazonas auf die Kinoleinwand trifft, sind bereits dessen undurchdringliche Geräusche zu hören. Es ist der stimmungsvolle Einstieg in ein atmosphärisches, faszinierendes Abenteuer, das mit der nur dem Kino eigenen Macht der Bilder in eine bis heute für die meisten unbekannte Welt führt. Der gebürtige Iraner Darius Khondji ist einer der weltbesten Kameramänner, der bereits für Jean-Pierre Jeunet, David Fincher und Wong Kar-Wai visuelle Fieberträume erschuf. In Grays Forscherdrama, das auch viel über den kolonialen Rassismus und die leider bis heute weit verbreiterte Ablehnung des Fremden zu sagen hat, erhebt er den Regenwald mit seinen Aufnahmen zum zweiten Hauptdarsteller. Obwohl der Film später auch in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges wechselt und uns zu hitzigen Debatten zwischen Fawcett und seinen Kontrahenten nach London mitnimmt, sind es doch die insgesamt drei Dschungel-Episoden, in denen „Die versunkene Stadt Z“ immer wieder das Abenteuer erfahrbar macht.
 
Gray interpretiert Fawcetts Arbeit als rastlose Suche und ihn selbst als einen Getriebenen, der Widerstände überwindet, Leid erduldet und die jahrelange Trennung zu seiner Frau (Sienna Miller) und seinen Kindern als Opfer auf sich nimmt. Diesem extremen Charakter, der nicht immer sympathische Züge aufweist, verleiht Charlie Hunnam eine große physische Präsenz. Dabei ist sein Fawcett kein klassischer Held. Er wirkt oftmals eigensinnig, melancholisch, verloren – letzteres in gleich mehrfacher Hinsicht. Ihm zur Seite steht ein erstaunlich reifer Robert Pattinson, der sich in der Rolle des loyalen Freunds Henry Costin endgültig von alten „Twilight“-Zeiten verabschiedet.
 
Als Zuschauer lassen sich die Herausforderungen für Gray und sein Team während der Dreharbeiten nur erahnen. Der Gedanke an Werner Herzog und Klaus Kinski in „Aguirre – Der Zorn Gottes“ liegt angesichts des Schauplatzes natürlich nahe. Die Zeit der spanischen Eroberer ist auch bei Fawcetts Reisen in den Amazonas stets präsent. Sie gehört ebenso wie die geheimnisvolle Stadt Z zum Mysterium dieses intensiven Abenteuerfilms, in dem das Kino zu einem Ort des Entdeckens und Sichverlierens wird.
 
Marcus Wessel