Erst in ihren letzten Lebenstagen erzählte Margot Woelk davon, dass sie eine der Vorkosterinnen Hitlers war, wenn dieser auf der Wolfsschanze zugegen war. Die italienische Schriftstellerin Rosella Postorino war davon so beeindruckt, dass sie die Grundidee für ihren Roman nahm, der die Vorlage von Silvio Soldinis Film bildet.
Über den Film
Originaltitel
Le Assaggiatrici
Deutscher Titel
Die Vorkosterinnen
Produktionsland
ITA,BEL,CHE
Filmdauer
123 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Soldini, Silvio
Verleih
Busch Media Group GmbH & Co.KG
Starttermin
29.05.2025
Im Jahr 1942 lebt Rosa Sauer mit ihrer Familie nahe der Wolfsschanze. Ein Mann der SS erscheint und nimmt sie mit. In der Wolfsschanze trifft sie auf andere Frauen, die wie sie eine ganz besondere Aufgabe haben. Sie sollen essen – und zwar das, was der Führer auch erhält. Denn es gab Gerüchte, dass die Alliierten Hitler vergiften wollen, weswegen diese Frauen nun als Vorkosterinnen dienen. Dafür werden sie gut bezahlt, sie fürchten aber auch bei jedem Essen um ihr Leben. Rosa ist etwas isoliert von den anderen, weil ihr Mann, der an der Front ist, noch lebt. Die anderen sind Witwen. Und dann stellt sich zudem heraus, dass eine der Frauen Jüdinnen ist. Ein Geheimnis, das Rosa bewahren will, auch wenn sie sich damit selbst in Gefahr bringt…
In Italien wurde Postorinos Roman zum Bestseller. Schnell stellte sich ein Interesse an einer Verfilmung ein, die zwar eine mehrheitlich italienische Produktion ist, aber mit deutschen Schauspielern in deutscher Sprache umgesetzt wurde. „Die Vorkosterinnen“ ist ein interessanter Film, weil es ihm gelingt, den Krieg aus einer anderen Perspektive zu zeigen. Es geht hier um die weibliche Erfahrung, zuhause, zurückgelassen, mit Männern, die an der Front stehen oder längst tot sind. Es ergibt sich so eine Sensibilität, die andere Filme, die zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs spielen, nicht unbedingt erreichen. Weil es nicht um die Kämpfe, wohl aber um das Sterben geht. Denn mit jedem Bissen könnten die Vorkosterinnen ihr Schicksal besiegeln.
Die Szenen am Esstisch, wenn die SS die Frauen zum Essen zwingt, wenn sie den Tisch nicht verlassen dürfen, bis aufgegessen ist, wenn sie nicht erbrechen dürfen, sind von einer Intensität, die sich auf das Publikum überträgt. Das wird noch potenziert, je schlechter der Krieg läuft. Als eine der Frauen den Koch fragt, wie wahrscheinlich es ist, dass das Essen vergiftet sein könnte, erklärt dieser, dass sie so groß ist wie die Niederlage des Reichs in diesem Krieg. Es soll affirmativ wirken, ist aber das Gegenteil – es ist 1943 und die Niederlage ist bereits absehbar, auch wenn es niemand wahrhaben will.
Das allein ist als Geschichte schon überragend, der Plot um die jüdische Frau, die Rosa retten will, wirkt indes ein wenig aufgesetzt. Dieser Nebenplot wäre nicht vonnöten gewesen, die Geschichte an sich ist stark genug, er lenkt aber auch nicht von der eigentlichen Handlung ab.
„Die Vorkosterinnen“ ist ein intensives, gut gespieltes Drama, das in fiktionalisierter Form ein Stück Historie aufarbeitet, das weitestgehend unbekannt ist. Der Krieg aus der weiblichen Perspektive, aber nicht weniger gefährlich, als an der Front.
Peter Osteried