Die Wache

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Viel ist in diesen Tagen von der Arbeit der Polizei die Rede, von gewalttätigen Übergriffen oder rechten Ordnungshütern. Die Dokumentarfilmerin Eva Wolf zeigt in ihrem Film „Die Wache“ die Arbeit der Polizei aus der Binnenperspektive, beobachtet Beamte bei ihren Einsätzen und beim Alltag, stellt bisweilen kritische Fragen, doch bleibt meist im Hintergrund.

Website: https://wache-film.de/

Dokumentation
Deutschland 2020
Regie & Buch: Eva Wolf
Länge: 90 Minuten
Verleih: Imfilm
Kinostart: 25. Mai 2021

FILMKRITIK:

Die Polizeiwache Friesenring in Münster ist Ausgangspunkt für Eva Wolfs beobachtende Dokumentation „Die Wache“. Hier arbeiten die Polizisten namens Andreas, Christoph oder Heiko, auch eine Nadine tritt auf, als eine der wenigen Frauen in der Polizeieinheit. Polizisten mit Migrationshintergrund treten dagegen nicht auf, im Abspann wird ein Yusra genannt, womöglich saß er in einer der Besprechungen im Hintergrund.
Viele Freiheiten hatte Eva Wolf offenbar bei ihrer Arbeit, konnte Kameras in den Dienstwagen der Polizisten befestigen, auch in der Wache selbst drehen, stets unter Einhaltung der Persönlichkeitsrechte der Delinquenten – möglicherweise auch die der Polizisten? Freimütig berichten diese von ihrer Arbeit, beantworten Fragen, die die Regisseurin vom Rücksitz stellt, während sie mit den Beamten durch Münster fährt, meist im gemächlichen Tempo, hier mal einen Fahrradfahrer auffordernd, nicht mit Handy in der Hand zu fahren, dort einen Autofahrer darauf aufmerksam machend, dass er nicht angeschnallt ist. Manchmal schalten die Polizisten aber auch das Blaulicht ein, rasen durch die Stadt zu einem Einsatz, einem Überfall, einer Ruhestörung.

Dramatisches gibt es nicht zu sehen, man ist schließlich im beschaulichen Westfalen, nicht in einer amerikanischen Großstadt, auch nicht in einem Problemkiez von Berlin oder Hamburg. Gibt es hier Migranten? Gibt es hier Bandenkriminalität? Gibt es hier Situationen, in denen Polizisten über die Stränge schlagen, in denen die Ordnungshüter selbst die Gesetze missachten? Man erfährt es nicht.

Es ist wohl der Preis einer solchen immersiven Dokumentation, die nicht ohne die Genehmigung der Behörde, die sie beschreibt, entstehen kann, dass fundamentale Kritik außen vor bleiben muss. Vorsichtige Fragen stellt Wolf zwar immer wieder, nach der Notwendigkeit, im Dienst Gewalt anzuwenden oder gar die Waffe zu ziehen und zu schießen. Eine jüngere weibliche Beamtin berichtet einmal von einem Kollegen, der sich sexistische Sprüche erlaubte, in der Ausbildung sei das gewesen, aber nicht hier in Münster. Kollegen mit Migrationshintergrund werden ganz normal behandelt, sagt ein Polizist, für rechte Tendenzen sei ohnehin kein Platz. Mag sein, dass das für diese Wache stimmt, deren Angehörige sich hier als geradezu vorbildliche, bodenständige Polizisten präsentieren. Frei von der Leber berichten sie, im westfälischen Singsang, erzählen von der Schwierigkeit, wenn sie jemanden wegen Lappalien anhalten und sich anhören müssen, dass sie doch lieber Kinderschänder verfolgen sollen.

Ein Eindruck von der Schwierigkeit Polizist zu sein entsteht, ein Beruf, der umstritten wie kaum ein anderer ist, was sicher auch damit zusammenhängt, dass die meisten Bürger nur in Extremsituationen mit einem Polizisten zu tun haben: entweder als Opfer oder als Täter. Eine normale Kommunikation von Beamter zu Bürger, von Mensch zu Mensch findet deswegen zwangsläufig nur selten statt. Diese Lücke schließt Eva Wolf mit ihrer Dokumentation ein wenig und zeigt ein anderes Bild von Polizeiarbeit in Deutschland, als es momentan die Nachrichten bestimmt. Kritik bleibt dabei zwar weitestgehend außen vor, doch als Einblick in den Alltag von Polizisten in Deutschland ist „Die Wache“ sehenswert.

Michael Meyns