Die Zukunft ist ein einsamer Ort

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Rache. Das archaische Erzählmotiv schlechthin. Von ihr wird auch Frank getrieben, der sich freiwillig einsperren lässt, um den Tod seiner Frau und seines Kindes zu sühnen. Auf ambitionierte Weise versucht das Regie-Duo Martin Hawie und Laura Harwarth Genremuster zu variieren und einen rohen, harten deutschen Genrefilm zu inszenieren. Gute Ansätze hat „Die Zukunft ist ein einsamer Ort“ ohne Frage, doch der Vergleich zu den großen Vorbildern fällt am Ende durchwachsen aus.

Webseite: www.derfilmverleih.de

Deutschland 2020
Regie & Buch: Martin Hawie & Laura Harwarth
Darsteller: Lucas Gregorowicz, Denis Moschitto, Katharina Schüttler, Daniel Wiemer, Zejhun Demirov, Billey Demirtas

Länge: 101 Minuten
Verleih: Der Filmverleih
Kinostart: demnächst

FILMKRITIK:

Ein Geldüberfall, Schüsse fallen, die Polizei kommt. Ohne Widerstand lässt sich der Täter Frank (Lucas Gregorowicz) verhaften. Fünf Jahre muss er für die Tat sitzen, doch seine Miene verrät nicht, ob er das bedauert, ob es ihm egal ist, ob er irgendetwas empfindet. Das einzige, das ihm etwas bedeutet scheint ein Foto zu sein, wegen dem er sich auch schon mal von Mitgefangenen verprügeln lässt.

Ohnehin bekommt Frank viel ab, in der Hackordnung des Gefängnis steht er ganz weit unten. Dennoch macht er sich an den Libanesen Fuad (Denis Moschitto) ran, der von seinem mächtigen Bruder außerhalb der Mauern geschützt wird und sich das Drogengeschäft im Gefängnis mit einer anderen Gruppe teilt.

Außerdem pflegt er eine Beziehung zur Wärterin Susanna (Katharina Schüttler), die bald auch mit Frank ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Doch auch sie ahnt nichts von Franks Absichten: Vor Jahren wurden seine Frau und sein Sohn bei einem Unfall mit Fahrerflucht getötet. Und der Fahrer des Wagens, der für seine Tat nie büßte, heißt Fuad.

Gefängnisfilme gibt es in Deutschland ebenso selten wie gelungene Genrefilme. Immer wieder versuchen es Regisseure, arbeiten sich an Genremustern ab, versuchen mit den meist allzu geringen Mitteln des deutschen Filmsystems mit Filmen aus Hollywood oder auch nur Frankreich mitzuhalten und beschwören Vergleiche herauf, die sie nicht einlösen können.

Ähnlich ergeht es auch „Die Zukunft ist ein einsamer Ort“, einem Film vom Regieduo Martin Hawie – der zuvor das Drama „Toro“ inszeniert hatte - und Laura Harwarth, die hier ihr Regiedebüt abliefert. Vom ersten Moment sind sie um Atmosphäre bemüht, tauchen die Breitwandbilder in verwaschenes Licht, zeigen eine Gefängniswelt die roh und düster erscheint und von Typen bevölkert ist, die vor Testosteron kaum gehen können.

In dieser Welt wirkt Frank wie ein Fremdkörper, ein Mann, besessen von seinem Wunsch nach Rache. Mit größter Emphase wirft sich Lucas Gregorowicz in seine Rolle, wird aber immer wieder von einem allzu gewollten Drehbuch im Stich gelassen. Im Wunsch, ein großes Rache-Melodram zu entwerfen, in dem große Fragen von Schuld und Vergebung verhandelt werden, hat das Autoren und Regie-Duo Hawie-Harwarth eine Konstellation entwickelt, die an allen Ecken und Enden knirscht. Vieles in „Die Zukunft ist ein einsamer Ort“ wirkt weniger aus Figuren und Schauplatz entwickelt, als aus dramaturgischen Notwendigkeiten erdacht. Spätestens wenn da einer der leichtesten Gefängnisausbrüche der Filmgeschichte gelingt, muss der Kampf gegen die Genrevorbilder als verloren gelten. Einige interessante Ansätze hat dieser Versuch, deutsches Genrekino zu machen, wirklich überzeugen kann er jedoch nicht.

 

Michael Meyns