Dieses bescheuerte Herz

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Kaum hat er den erfolgreichsten Pädagogen-Job der deutschen Kinogeschichte an den Nagel gehängt, muss Elyas M’Barek nun selbst Hausaufgaben machen. Als chronischer Faulpelz soll er sich plötzlich um einen Teenager kümmern, der unter einem schweren Herzfehler leidet. Das bewährte „Ziemlich beste Freunde“-Prinzip funktioniert abermals ziemlich prima! Eine bewegend traurige und befreiend komische Geschichte gleichermaßen - geschrieben vom wahren Leben, überzeugend inszeniert von Marc Rothemund sowie exzellent gespielt von Elyas M’Barek. Süßer die Storys nie klingen...

Webseite: www.constantin-film.de

D 2017
Regie: Marc Rothemund
Darsteller: Elyas M‘Barek, Philip Noah Schwarz, Nadine Wrietz, Uwe Preuss, Lisa Bitter, Jürgen Tonkel, Tesha Moon Krieg
Filmlänge: 107 Minuten
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 21. Dezember 2017
 

FILMKRITIK:

„Das macht 1,9!“ - „Mach’ 2,5!“. Bei der Zeche rundet Lenny (Elyas M’Barek) gerne großzügig auf. Wieder einmal macht er mit seinen Kumpels wilde Party in der Nobel-Disco: Frauen, Alkohol und gerne auch ein paar härtere Drogen. Mit dem letzten Drink noch in der Hand, rast Lenny mit seinem Audi R8 durch das Villen-Viertel nach Hause. Als er den Sportwagen im heimischen Pool versenkt, platzt Papa endgültig der Kragen. Der renommierte Herzchirurg wirft seinen faulen Filius aus der Villa und sperrt dessen Kreditkarten. Geld fließt erst dann wieder, wenn der chronische Taugenichts endlich Verantwortung im Leben übernimmt: Er soll sich um den jungen David kümmern, einen Patienten seines Vaters, der unter einem schweren Herzfehler leidet und den 16ten Geburtstag vermutlich nicht mehr erleben wird.

Widerwillig besucht Lenny den Teenager, der mit seiner alleinerziehenden Mutter in einer schäbigen Hochhaussiedlung lebt. Der unfreiwillige Betreuer hofft, sich möglichst bequem aus der Affäre ziehen zu können. Mit ein bisschen Shopping hier und ein paar coolen Sprüchen dort ist die Sache freilich längst nicht getan. Schon besser geeignet erscheint die spontane Idee einer Wunschliste, die David erstellt. Die reicht vom ersten Kuss eines Mädchens bis zur eigenen Plattenaufnahme. Fast klar, dass Lenny doch wieder sein lässiges Lotterleben einholt und er sich vor der lästigen Verantwortung drücken will. Doch je mehr Zeit das ungleiche Duo gemeinsam verbringt, desto größer werden Sympathie und echtes Mitgefühl. Das bewährte „Ziemlich beste Freunde“-Prinzip funktioniert abermals ziemlich prima!

Was nach krassem Kitsch klingen mag, beruht auf der wahren Geschichte von Lars Amend und dem herzkranken Daniel Meyer, die es als Roman zum Bestseller brachte. Mit dem Krebs-Drama „Heute bin ich blond“ (gleichfalls nach einer realen Vorlage) hat Regisseur Marc Rothemund bereits sein gutes Händchen für Krankheitsgeschichten gezeigt. Erneut gelingt ihm hier gekonnt die heikle Balance aus bewegender Traurigkeit und ausgleichendem Humor, ohne Einsatz des üblichen Sirups aus Sentimentalitäten. Die Komik wird gut dosiert, inklusive running gag mit dem fiesen Nachbarn, der chronisch den Aufzug blockiert

Kino-Neuling Philip Noah Schwarz präsentiert die Gefühlswelten des Teenagers zwischen Verzweiflung und Hoffnung mit souveräner Lässigkeit. Sensibel und glaubhaft gibt er den Don Quichotte, der sich trotzig gegen sein Schicksal auflehnt und bei seiner ersten Liebe total in Panik gerät. Zum Glück erteilt Don Juan Lenny als Bruder-Ersatz die richtigen Ratschläge - und bekommt umgekehrt vom todkranken Kid jene Kicks zurück, die ihm ganz neue Perspektiven aufzeigen.

Elyas M’Barek befreit sich erfolgreich vom Image des Kreischalarm-Auslösers. Klar, gibt er zunächst noch immer den übercoolen Checker und Aufreißer. Hinter der unbeschwerten Sonnyboy-Schale lässt er freilich zunehmend ein Sensibelchen der empathiefähigen und nachdenklichen Typen aufblitzen. Ganz kann Ex-Lehrer Zeki Müller seine Vergangenheit indes nicht ablegen: Man beachte das Klingelschild beim ersten Besuch im Hochhaus!

Dieter Oßwald