Docteur Knock – Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen

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Mit der Tragikomödie „Ziemlich beste Freunde“, dem erfolgreichsten französischem Film aller Zeiten, avancierte Omar Sy zum Weltstar und machte sich auf nach Hollywood. Doch immer wieder kehrt das sympathische Multitalent der Glitzerwelt den Rücken. In der skurrilen Satire um einen geschäftstüchtigen Landarzt arbeitet er erneut unter französischer Regie. Als gewiefter Mediziner und Filou wird seine Praxis dank Schwindeleien und Intrigen zu einer sprudelnden Geldquelle. Regisseurin Lorraine Levy verwandelt die düstere Romanvorlage des französischen Klassikers von Jules Romains in eine lichtdurchflutet, schwarzhumorige Feelgood-Komödie.

Webseite: www.docteur-knock.de

Frankreich 2017
Regie: Lorraine Levy
Drehbuch: Lorraine Levy
Darsteller: Omar Sy, Alex Lutz, Ana Girardot, Sabine Azéma, Pascal Elbé, Andréa Ferréol.
Länge: 113 Minuten
Verleih:  Wildbunch
Kinostart: 22.2.2018

FILMKRITIK:

An diesen hinterwäldlerischen Einheimischen ist offenbar nichts zu verdienen. Der neue Landarzt Dr. Knock (Omar Sy) des beschaulichen Saint Maurice muss sich etwas einfallen lassen gegen das leere Wartezimmer und die unverwüstliche Gesundheit in der Provinz. Dass er die Praxis des betagten Dr. Parpalaid (Nicolas Marié), der sich mit seiner Frau (Christine Murillo) zur Ruhe setzen will, übernahm, scheint ein Fehler. Doch mit untrüglicher Menschenkenntnis und intriganter Energie hat der Filou bald alle infiziert: ein Dorf voller Kranker – und er der Messias.
 
Denn die sogenannten gesunden Menschen sind solche, die von ihrer Krankheit nichts wissen. Nach dieser Methode handelt Dr. Knock erfolgreich. Schon der bayerische Komiker Karl Valentin stellte schließlich fest: „Garned krank ist auch nicht g´sund“. Der falsch diagnostizierten Krankheit folgt natürlich die Wunderheilung und das bringt die Kasse des Herrn Doktor zum Klingeln. Sein geheimes Ziel ist der Bau eines lukrativen Sanatoriums.

Geschickt wendet er dabei die suggestivpsychologischen Methoden moderner Werbung an und beeinflusst seine Patienten dank seines pseudowissenschaftlichen, beschwörenden Jargons.
 
Das so erzeugte Gefühl des Krankseins gibt dem Leben seiner „Kunden“ erst einen Sinn, nämlich den der sorgfältigen Beschäftigung mit eingebildeten Leiden. Seine Marketingmethode: Jeden Dienstag eine scheinbar kostenlose Sprechstunde. Nachdem Briefträger Jules (Christian Hecq) das publik macht, steht das ganze Dorf Schlange.

Sogar der Lehrer (Sébastien Castro) lässt sich für seine Kampagne zur Gesundheits-Vorsorge einspannen. Und auch Apotheker Mousquet (Michel Vuillermoz) freut sich, dass endlich sein Umsatz steigt.
 
Damit hofft er, kann er endlich seine gefallsüchtige Frau (Audrey Dana) zufriedenstellen. Einzig der neidische Pfarrer Lupus (Alex Lutz) scheint Dr. Knocks Masche zu durchschauen. Denn bevor der Arzt kam, gab er als Stellvertreter Gottes im Ort den Ton an. Aber auch die junge Magd Adèle (Ana Girardot), in die sich Knock verliebt, erliegt seinem Charme. Doch dann erkrankt Adèle ernsthaft. Und zu allem Überfluss taucht auch noch Lansky (Pascal Elbé) auf. Der Landstreicher, ein krimineller Gegner von früher, erpresst ihn und droht seine zwielichtige Vergangenheit zu enthüllen.
 
Dem brillanten Lustspiel Jules Romains, eines schwarzen Lehrstücks zum Phänomen des Verführers und der Massenpsychose, verleiht Regisseurin Lorraine Levy eine mehr heitere Note. Vor allem dank ihres sympathischen Hauptdarstellers Megastar Omar Sy ist der düstere französische Klassiker, in der Nachfolge von Molières Weltliteratur „Der eingebildete Kranke“, fast nicht wiederzuerkennen. Ihr Dr. Knock ist weder grausam noch gnadenlos. Er agiert eher in einer faszinierenden Mischung aus liebevoller Neugier und der unstillbaren Lust an der Macht, die Welt nach seinem Bild zu prägen. Wunderbar macht sich Lorraine Levys nostalgische Feel-Good-Komödie trotzdem über Hypochondrie lustig.
 
Dass die Regisseurin bei ihrer Adaption die Themen Rassismus, Intoleranz und Culture-Clash völlig ausblendet, mag verstören. Denn ihre Dorfgemeinschaft lebt in den engstirnigen 1950er Jahren. Schwarze Mediziner sind selbst in Frankreich alles andere als selbstverständlich. Und ein Arzt ist Autoritätsperson gerade auf dem Land. Ihr Anliegen damit, auch für ihren Protagonisten diesen Aspekt nicht ewig in den Vordergrund zu stellen, ist jedoch verständlich. Und schlussendlich spielt es für die Umsetzung ihrer Inszenierung mit Retro-Touch keine zentrale Rolle. Selbst wenn Rassismus und fremdenfeindliche Ressentiments mehr denn je virulent sind.
 
Luitgard Koch