Dom Hemingway

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Nach zwölf Jahren Knast versucht Titelheld Dom Hemingway (Jude Law) zurückzuerobern, was ihm zusteht: Eine finanzielle Abfindung und die Liebe seiner Tochter. Beides entpuppt sich als abenteuerliches Unterfangen. Derb, vulgär und doch sympathisch inszeniert Regisseur Richard Shepard einen Helden, den man zugleich hassen und lieben muss.

Webseite: www.fox.de

GB 2013
Regie und Drehbuch: Richard Shepard
Darsteller: Jude Law, Emilia Clarke, Richard E. Grant
Länge: 93 min.
Verleih: 20th Century Fox
Kinostart: 17. April 2014

FILMKRITIK:

„Ist mein Schwanz nicht exquisit?“ Dieser erste Satz des Helden sagt im Grunde schon all das aus, was man über diesen Film wissen muss. „Dom Hemingway“ ist zugleich derb wie auch künstlich stilisiert. Jude Law trampelt als gescheiterter Safecracker 90 Minuten lang motzend über die Leinwand und entfaltet dabei derart viel Energie, dass der Film unter der Regie von Richard Shepard kaum mithalten kann.

Dom (Jude Law) ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Zwölf Jahre seines Lebens hat er dort verschwendet, während seine Ehefrau einen anderen heiratete und an dessen Seite verstarb. Und all das nur, weil sich Dom geweigert hatte, gegen seine Komplizen auszusagen. Nun hat der gewaltbereite Macho zwei klare Ziele vor Augen: Erstens will er für sein Stillschweigen gehörig finanziell entlohnt und werden und zweitens möchte er sich mit seiner Tochter versöhnen, die ihm seine Taten niemals verziehen hat. Doch beide Unterfangen entwickeln sich ganz anders, als Dom es geplant hatte.

„Dom Hemingway“ beginnt steil mit einem Monolog der Hauptfigur, deren nackter Oberkörper vor grellgrünem Hintergrund die Leinwand füllt. Während eine_r Unbekannte_r ihm außerhalb des Sichtbereichs einen bläst, formuliert Dom ein Loblied auf sein bestes Stück. Dem Zuschauer ist umgehend klar, worauf er sich mit diesem Film eingelassen hat: auf derbe Sprüche und den bewussten Verzicht auf politische Korrektheit. Bedauerlicherweise schießt Richard Shepard, der auch das Drehbuch zu seinem Film geschrieben hat, zuweilen über dieses Ziel hinaus. Dom nimmt nicht nur kein Blatt vor den Mund, er leidet geradezu unter einem übertriebenen Zwangsvulgarismus, der zunehmend an Unterhaltungswert einbüßt. Auch der Kontrast zwischen Form und Inhalt, der sorgsam gewählten Worte und zwanghaften Vulgarität, entfaltet nicht nur Komik, sondern auch Irritation.

Die Dialoge bilden die Achillesferse des Films. Wo die übertriebene und durch Musik immer wieder humoristisch gebrochene Inszenierung durchaus Charme entwickelt, droht die Dialoglast den Zuschauer zu erschlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass Selbstdarsteller Dom zu Monologen neigt. Statt derber, aber gut geschriebener Eloquenz à la Tarantino, reden die Figuren hier frotzelnd aneinander vorbei. Hauptdarsteller Jude Law glänzt dabei mit großer Präsenz und Kraft, spielt jedoch weitgehend im luftleeren Raum. Die übrigen Figuren sind derart flach und uninteressant geraten, dass sie lediglich wie Dekoration für den narzisstischen Helden wirken. Dies würde ohne Frage Doms Selbstbild entsprechen, eignet sich für einen Spielfilm jedoch nur bedingt. Es fehlen Sympathieträger und glaubhafte Beziehungen, um „Dom Hemingway“ unterhaltsam und bewegend zu gestalten.

Immer wieder erinnert der tollwütige Dom an den Helden aus Irvine Welshs „Drecksau“, entwickelt jedoch weniger Tiefe als dieses vermeintliche Vorbild. Doms Beziehung zu seiner Tochter bleibt eine stiefmütterlich vernachlässigte Rahmenhandlung, die sich auf wenige, recht klischeehaft inszenierte Szenen beschränkt.
 
Immerhin gelingt es Richard Shepard schließlich, seinen Helden aller Abgründe zum Trotz als liebenswerten Menschen zu charakterisieren, der an sich selbst scheitert. Wie sich herausstellt, ist Doms größter Fehler nicht der, die Regeln der Gesellschaft zu missachten, sondern an sie zu glauben. Vielleicht steht hinter der Aggressivität der Hauptfigur gar der Frust über eine aus den Fugen geratene Welt, in der kein Ehren- oder Moralkodex mehr existiert. Eine Welt ohne Gesetze, ohne Orientierungshilfe, ohne Sicherheit. Eine Welt, in der ein Mann sich nur auf sich selbst und seinen exquisiten Penis verlassen kann.
 
Sophie Charlotte Rieger