Égalité

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Bekannt wurde Kida Khodr Ramadan als Clanchef „Toni“ Hamady in der Erfolgsserie „4 Blocks“ und mit ähnlich gelagerten Rollen in „Nur Gott kann mich richten“ oder „Asphaltgorillas“. Nach der Milieustudie „In Berlin wächst kein Orangenbaum“ liefert Ramadan mit „Égalité“ seinen zweiten Film als Regisseur, Co-Autor und Produzent, in dem er selbst nur einen Gastauftritt absolviert. Das psychologische Drama mit Burak Yiğit und Susana AbdulMajid in den Hauptrollen feierte seine Weltpremiere 2021 bei den Hofer Filmtagen.

Website: www.alphacentauristudios.com/portfolio-item/egalite

Deutschland 20221
Regie: Kida Khodr Ramadan
Buch: Constantin Lieb, Kida Khodr Ramadan
Darsteller: Burak Yiğit, Susana AbdulMajid, Dunya Ramadan, Momo Mohamad Ramadan, Emma Drogunova, Volker Meyer-Dabisch, Jean-Philippe Adabra, Franziska von Harsdorf
Laufzeit: 84 Min.
Verleih: Alpha Centauri
Kinostart: 13.1.2022

FILMKRITIK:

„Es ist nur ein kleiner Eingriff,“ muntert Attila (Burak Yigit) seine 14-jährige Tochter Leila (Dunya Ramadan) auf, als er sie mit seiner Frau Aya (Susana AbdulMajid) für eine Mandeloperation ins Krankenhaus begleitet. Doch nach dem Routineeingriff ist Leila blind. Der operierende Arzt und sein Anästhesist (Volker Meyer-Dabisch, Jean-Philippe Adabra) weisen Fehler von sich, in der zähen Telefonschleife des Krankenhauses wird das Anliegen weggeredet, auch ein externer Arzt weiß keinen Rat. Über der geschockten Familie breitet sich ein Schleier aus zermürbenden Fragen aus, worunter auch der Sohn Nuri (Momo Ramadan) leidet. In der Verzweiflung erhärtet sich Attilas Verdacht, dass Leila Opfer eines Ärztepfuschs wurde. Um die Wahrheit herauszufinden, unternimmt er einen drastischen Schritt.

Die unaufgeregte Auftaktsequenz zeigt die eingespielte Familienroutine von Attila und Aya, der Tochter Leila und dem Sohn Nuri. Es ist früh am Morgen, ein Kuss auf den Nacken, Attila weckt die Kinder. Die von Julian Landweer geführte Handkamera folgt den Figuren durch die Zimmer und den Flur oder schwenkt ihnen hinterher. Durch das Weitwinkelformat agieren die Familienmitglieder oft im selben Bild, was den Schnittrhythmus entschleunigt. Außer Kida Khodr Ramadan nutzt die Montage als Mittel der Erzählung: Als die Eltern beim Warten auf den Ausgang der Operation unruhig werden, erhöht Ramadan die Frequenz. Die Inszenierung spiegelt den Inhalt.

Beim Eklat im Krankenhaus wird auch klar, dass der von Burak Yiğit („Victoria“) gespielte Attila aufbrausend ist und kaum fähig, seine Hilflosigkeit zu kanalisieren. Dem Drama wohnt eine Schlagseite in Richtung Thriller inne, die sich zunächst in familiären und inneren Spannungen ausdrückt. Die Nerven liegen blank, Schwermut macht sich hinter den zugezogenen Vorhängen der Wohnung breit, in der eine Glühbirne flackert. Innen wie außen ist alles so trist wie die Schauplätze um das Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg.

Der dramaturgische Fokus liegt auf dem Umgang der Eltern mit der Krise, insbesondere auf jenem von Attila – weniger auf dem Schicksal der Tochter. Der Titel „Égalité“, also Gleichheit, verweist auf das Anliegen des Drehbuchs, das unterschwelligen Alltagsrassismus thematisiert. Der vom Krankenhauspersonal immer wieder abgewimmelte Attila will „auf Augenhöhe“ reden und sieht sich zu einem drastischen Schritt genötigt, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. Vor allem mit einigen pathetischen Musikeinlagen trägt Ramadan mitunter etwas dick auf, liefert aber ambivalente Konflikte und Spannung an der Grenze zwischen Drama und Genre.

Christian Horn