Ein letzter Job

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Sir Michael Caine, Meister der Ironie und des zündenden Wortwitzes, spielt in dieser Kriminalkomödie gemeinsam mit einigen der besten und ältesten Haudegen der britischen Film- und Theaterwelt: Jim Broadbent, Michael Gambon, Tom Courtenay. Es geht um den legendären „Hatton Garden-Einbruch“, bei dem 2015 Diamanten im Wert von ca. 200 Millionen Pfund gestohlen wurden. Dabei ist vielleicht ausgerechnet der reale Background dafür verantwortlich, dass im zweiten Teil der komödiantische Aspekt etwas ins Hintertreffen gerät. Dennoch bleibt der Film sehenswert und sehr kurzweilig.

Webseite: kinofinder.studiocanal.de/ein_letzter_job

Originaltitel: King of Thieves
Großbritannien 2018
Regie: James Marsh
Darsteller: Sir Michael Caine, Jim Broadbent, Tom Courtenay, Ray Winstone, Paul Whitehouse, Charlie Cox, Michael Gambon
Länge: 103 Minuten
Verleih: Sudiocanal GmbH
Kinostart: 23. Mai 2019

FILMKRITIK:

Ja, ja … das Alter! Brian Reader kann ein Lied davon singen. Doch nicht nur die Gesundheit lässt nach, auch die allgemeine Lebensfreude, besonders seit seine Frau gestorben ist. Früher war Reader eine große Nummer in der britischen Verbrecherszene, und auch wenn er diverse Jahre hinter Gittern verbracht hat, erinnert er sich gern an die alten Zeiten. Und so sammelt er ein paar Kumpels um sich, die meisten ebenfalls im Rentenalter. Gemeinsam planen sie den Einbruch in einen Safe im Londoner Diamantenviertel. An Ostern soll der Coup starten, denn nur an den Feiertagen bleibt genügend Zeit für das ehrgeizige Vorhaben. Unter anderem muss ein mannsgroßes Loch in eine 50 Zentimeter dicke, armierte Betonwand gebohrt werden. Dafür ist eine ausgefuchste Technik notwendig. Dank der gesammelten jahrzehntelangen Erfahrungen und mit Hilfe ihrer Kontakte kommen die Senioren bei den Vorbereitungen gut voran, und als es endlich so weit ist, sieht es so aus, als ob der Plan perfekt funktionieren könnte. Tatsächlich: Trotz kleiner Irritationen und einiger Pannen gelingt der Coup. Doch kaum ist alles vorbei, verwandelt sich die eben noch professionelle und liebenswerte Rentnergang in einen undisziplinierten Haufen niederträchtiger Ungeheuer. Sämtliche Vorsichtsmaßnahmen werden über den Haufen geworfen, Gier und Egoismus ersetzen die Kollegialität … und gleich um die Ecke lauert Scotland Yard auf den ersten Fehler, der auf die Spur der Jahrhundertverbrecher führt.
 
Der Humor ist altersbedingt eher rustikal – die Witzeleien über die diversen Wehwehchen der Protagonisten sind ebenso naheliegend wie komisch, von der Inkontinenz über Schwerhörigkeit bis zum Sekundenschlaf. Das sorgt in der ersten Filmhälfte für jede Menge Lacher, ebenso die Situationskomik, die sich aus der Zusammenarbeit der alten Zausel ergibt. Zu Beginn scheint es, als ob der Film eine einzige wonnige Gaunerkomödie nach bester Tradition wird, mit einem gut aufgelegten Michael Caine, der hin und wieder seine unnachahmliche Neigung zur Ironie zeigen darf. Doch der Eindruck täuscht, denn der Regisseur James Marsh, bekannt vor allem als Dokumentarfilmer, und der renommierte Theater- und Filmautor Joe Penhall, der das Drehbuch schrieb, wollen offensichtlich mehr oder wenigstens etwas anderes. Vor dem Hintergrund der wahren Geschichte über den Hatton Garden-Einbruch machen sie aus den echten Tätern zuerst eine Bande von scheinbar hinfälligen und auch deshalb sympathischen alten Männern, die noch ein letztes Mal den Thrill spüren wollen und sich deshalb zu unerwarteten Höchstleistungen aufraffen. Möglicherweise hat den Autoren diese Seniorenräuberpistole nicht genügt. In der zweiten Hälfte des Films verschwindet jedenfalls der komödiantische Tonfall mehr und mehr, und Penhall/Marsh zeigen auf mehr oder weniger subtile Art, dass Verbrechen sich nicht lohnt und woran die meisten Verbrecher scheitern: an der Hybris, die sie als erstes dazu bringt, sich untereinander zu befehden. Dummheit, Neid und Habgier führen zu Fehlern, die bewirken, dass die Bande gefasst wird. Da diese Tatsache allgemein bekannt ist, hält sich die Spannung im zweiten Teil insgesamt in Grenzen. Die Hauptcharaktere, mit Ausnahme von Brian Reader, definieren sich im Film vor allem über ihre altersbedingten Gebrechen, so dass ihr Verhalten in der zweiten Hälfte, wenn der Spaß vorbei ist, manchmal etwas plakativ wirkt. Bedingt durch die realen Vorgaben gab es hier aber vielleicht einfach sehr wenig Spielraum. Oder anders gesagt: Nicht immer schreibt das Leben die besten Geschichten …
 
Sir Michael Caine spielt den Ideengeber und Anführer Brian Reader mit eleganter Gelassenheit. Readers Führungsqualitäten sind, besonders zu Beginn, ebenso beachtlich wie seine Neigung zu ironischen Bemerkungen. Später wird er zur tragischen Figur, und angesichts der Entwicklung geht ihm dann beinahe die Ironie flöten. Seine gierige Gang führt sich auf wie die Horde nichtsnutziger, zänkischer, unmoralischer und dämlicher Verbrecher, die sie tatsächlich sind, und dasselbe gilt im Grunde für Brian Reader. Auch wenn er sich nicht gern die Hände schmutzig macht, ist er keineswegs der noble Gentleman-Gauner, als der er gerne auftreten möchte. Wie Michael Caine diese Entwicklung unter Einsatz minimaler Mittel spielt, wie er es schafft, der Gaunerfigur Leben einzuhauchen, ist absolut beachtenswert. Eine ähnlich komplexe Rolle spielt im Film Charlie Cox als Basil, einer der wenigen Darsteller unter 60. Eigentlich ist er ein anständiger Kerl, der sich zum Verbrechen verleiten lässt und inmitten der liebenswürdig wirkenden, aber knallharten Seniorengangster verloren ist. Die spielfreudigen alten Herren haben drehbuchbedingt weniger Chancen für eine vielschichtige Darstellung und sind vor allem für die Gags zuständig, machen aber ebenfalls einen anständigen Job. Sie werden komplettiert durch den hinreißend komischen Michael Gambon, der erst später ins Geschehen einsteigt und seine kleine Rolle optimal ausfüllt.
 
Zusätzlich zur exquisiten Besetzung machen ein guter Soundtrack und eine angemessen temporeiche Bildführung den Film zu einem insgesamt kurzweiligen Kinoerlebnis, das vor allem ein älteres Publikum anziehen könnte – als Seniorenkriminalkomödie mit etwas Tiefgang und einer gehörigen Portion Ironie.
 
Gaby Sikorski