Eine bretonische Liebe

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Familien bergen manchmal ganz verzwickte Geschichten, vor allem, wenn die Wahrheit über die Verbindungen ihrer Mitglieder untereinander lange nicht auf dem Tisch liegt. Tut sie’s dann, folgt oft ein großer Knall. Nicht von ungefähr ist die zentrale Figur dieser charmanten und schwungvollen, in der Bretagne spielenden Komödie eine, die sich mit dem Entschärfen von Explosivmaterial auskennt, gespielt von einem extrem gelassenen François Damiens. Doch auch die restlichen Rollen sind perfekt besetzt.

Webseite: www.arsenalfilm.de

OT: Ôtez-moi d’un doute
Frankreich 2017
Regie/Buch: Carine Tardieu
Darsteller: François Damiens, Cécile de France, Guy Marchand, André Wilms, Alice de Lencquesaing, Estéban, Lyes Salem
Länge: 100 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 21.12.2017
 

FILMKRITIK:

Man glaubt ja kaum, was da noch an Minen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg an der bretonischen Küste herumliegen soll. Erwan (François Damiens) und seine Mitarbeiter jedenfalls haben gut zu tun. Doch dann geht eines Tages eine ganz andere Bombe hoch. Als er seine schwangere Tochter (Alice de Lencquesaing) bei einem Arzttermin begleitet, kommt bei einem Gentest heraus, dass sein eigener Herr Papa offenbar gar nicht sein Erzeuger gewesen sein soll. Wie eine kurzerhand beauftragte Detektivin herausfindet, wohnt der leibliche Vater aber ganz in der Nähe. Als Erwan ihn trifft, räumt dieser ein, seine Mutter durchaus gekannt zu haben. Auf Anhieb sind sie sich sympathisch.

Aufgrund seiner nun also zwei Väter (Guy Marchand und André Wilms) hat Erwan gegenüber seiner eigenen Tochter nun ein gutes Argument, sie davon zu überzeugen, dass sie sich doch bitte für den Vater ihres noch ungeborenen Kindes interessieren möge. Der aber scheint das egal. Seinem Vater, der ihn großgezogen hat und den er nach wie vor liebt, verrät er vorläufig aber ebenso wenig von alldem wie von der sich anbahnenden Liaison zur hübschen und mysteriösen Anna (Cécile de France), der er kurz nach einem Autounfall noch weitere Male begegnet.

Wer des deutschen Titels wegen eine vor allem romantische Komödie erwartet, sollte seine Erwartungen freilich etwas zurückschrauben. Die aufkeimende Liebe des verwitweten Minenentschärfers zur selbstbewusst auftretenden Anne bleibt streng genommen nur ein Aspekt am Rande, denn verhandelt wird vor allem die Frage, wie umzugehen ist mit den verschiedenen Konstellationen von Vaterschaft, wobei dies nicht nur aus männlicher Sicht beleuchtet wird. Absolut sympathisch ist dabei, dass den Männern stets auch Schwächen und Schrulligkeiten zugestanden werden, sie aber keineswegs als Loser dastehen. Vor allem Erwans Mitarbeiter Didier (Estéban) sorgt mit seiner unbedarft-naiven Art und seinem manchmal etwas langsamen Gemüt wiederholt für Lacher. Schön ist, dass trotzdem auch Tiefgang erreicht wird. Dass alle involvierten Figuren zudem ein kleines Geheimnis mit sich herumtragen, hält die Spannung.

Und was sie betrifft, spielt ja auch die Möglichkeit tatsächlicher Explosionen eine wichtige Rolle. François Damiens im Sand des bretonischen Strandes wühlen zu sehen erfährt durch die Geschichte symbolischen Charakter, ist es nun doch an seiner stets besonnen agierenden Figur, in der Vergangenheit zu graben – immer der Gefahr bewusst, durch eine falsche Entscheidung auch Gefühle verletzt zu können. Als Regisseurin Carine Tardieu Erwan/Damiens bei seiner gefährlichen Arbeit filmte, tat sie dies in Erinnerung an die besondere Art, wie der von ihr bewunderte Claude Sautet in „César und Rosalie“ Yves Montand als Schrotthändler inszenierte. Im Zusammenspiel mit Cécile de France, Guy Marchand, André Wilms, Alice de Lencquesaing und Estéban zeigt sich Damiens hier in ganz großer Form – daran gibt es keinen doute, pardon: Zweifel natürlich.

Thomas Volkmann