Eine schöne Bescherung

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Alle Jahre wieder... die Komödie über den gefährdeten Familienfrieden an Weihnachten. Diesmal lädt ein schwules Paar aus Stockholm die nicht ganz vorurteilsfreien Eltern ins neue, etwas renovierungsbedürftige traute Heim und präsentiert den lieben Verwandten eine ziemlich dicke Überraschung unter dem Christbaum. Charmante Akteure, flottes Tempo, gekonnte Pointen - die Schweden können komisch einfach mit sympathischer Lässigkeit. In seiner Heimat avancierte die quirlige Komödie zum ganz großen Publikumsrenner.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Schweden 2015
Regie: Helena Bergström
Darsteller: Robert Gustafsson, Maria Lundqvist, Rakel Wärmländer, Anton Lundqyist, Inga Landgré
Filmlänge: 108 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih GmbH
Kinostart: 22.12.2016

FILMKRITIK:

Lachst du noch oder denkst du schon? Skandinavische Komödien bestehen den Elchtest cleverer Unterhaltung gemeinhin mit Bravour. In diesem weihnachtlichen Lustspiel wird genüsslich zelebriert, wie die Fassade der vermeintlich heilen Familienwelt gefährliche Risse bekommt. Die besinnliche Feier läuft zunehmend aus dem Ruder. Am Ende könnte ein Fiasko drohen. Aber hey: Es ist schließlich Weihnachten. Mit vereinten Kräften werden allerlei Vorurteile überwunden. Die Streithähne springen über ihre Schatten. Geläutert gelingt dem Patchwork-Familienclan zum guten Schluss ein gemeinsames Happy End.  
 
Der 27-jährige Oscar und sein langjähriger Partner Simon haben sich zum Weihnachtsfest eine hübsche Überraschung ausgedacht. Sie wollen der angereisten Verwandtschaft nicht nur ihr frisch erworbenes Häuschen präsentieren. Sondern auch den Grund für die räumliche Erweiterung. Mit ihrer hochschwangeren Freundin Cissi will das schwule Pärchen eine WG gründen. Das künftige Kinderzimmer ist bereits eingerichtet. Mit der Vaterschaft verhält es sich ein bisschen kompliziert. „Wir müssen den richtigen Moment abwarten!“, betont Oscar seine Strategie, das süße Geheimnis zu lüften. Bei seinem leicht cholerischen, schwer pedantischen Papa, einem Staatsanwalt, ist allemal Vorsicht geboten. Kaum angekommen, bemängelt der Beamte sogleich den Zustand des neuen Eigenheims. Ganz zu schweigen davon, dass er die sexuelle Orientierung seines Sohnes nie akzeptiert hat. Viel entspannter gibt sich derweil der griechische Vater von Simon. „Die Unterschiede machen uns groß!“, betont er stolz.
 
So verschieden die Ansichten der Angehörigen, die sich zum ersten Mal begegnen, so groß ist das Potenzial für Zank. Für die einen ist die üppige Weihnachtsbeleuchtung „pervers“, den anderen geht die Smartphone-Nutzung der Kinder auf die Nerven. Die Oma besteht auf dem traditionellen TV-Programm. Doch wann soll gegessen werden? Schon vorab wird am Hot Dog-Menü gemäkelt: „Sind sie etwa Vegetarier? Ich bin Muslim!“. Die Gastgeber versuchen mit Glühwein, „natürlich selbstgemacht“, für Gemütlichkeit zu sorgen. Doch die Lage eskaliert, als die Vaterschaft von Cissis Baby zum umstrittenen Thema wird. „Mehr Dickens geht nicht“, stöhnt Oscar. „Ich habe keinen Sohn mehr!“, verkündet der Staatsanwalt. Als obendrein zwei Weihnachtsmänner gleichzeitig zur Bescherung erscheinen, scheint das Chaos perfekt. Wehe, wenn jetzt noch die Wehen kommen.
 
Bei einem Figurenkabinett solch unterschiedlicher Temperamente ist der Tisch für Zoff, Vergeltung und Vergebung reichlich gedeckt. Weil auch im realen Leben das Fest der Liebe bisweilen zur emotionalen Nervenprobe unter Verwandten gerät und überhöhte Harmonieerwartungen nicht selten scheitern, dürften Wiedererkennungseffekte das Vergnügen bei so manchem Zuschauer sichtlich steigen.
 
Wie es sich für skandinavisches Kino gehört, gibt man Konflikten eine versöhnliche Lösung. Da wird die intolerante Haltung des homophoben Vaters konsequent entlarvt. Gleichwohl wird ihm die Chance neuer Erkenntnisse nicht verwehrt. Mit dem schwedischen Comedy-Talent Robert Gustafsson(„Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“) ist die Rolle des mürrischen Rechthabers erstklassig besetzt. Nicht zuletzt auch wegen ihm avancierte diese temporeiche Komödie zu einem der erfolgreichsten schwedischen Filme der letzen Jahre.
 
Dieter Oßwald

Ein schwules Paar wohnt mit seiner besten, schwangeren Freundin zusammen. Zu Weihnachten laden sie ihre Verwandtschaft ein, um ein fröhliches Fest zu feiern. Doch von Besinnlichkeit keine Spur: die Sippe der Drei erweist sich teils als homophob, extrem mürrisch und kritisch gegenüber alternativen Lebensformen. Die kurzweilige schwedische Komödie „Eine schöne Bescherung“ überzeugt mit einem chaotischen Clash der Gegensätze und vielen daraus folgenden, gelungenen Späßen. Leider erweisen sich aber einige Wendungen als zu bemüht und der Film stellenweise als zu langatmig.

Oscar (Anton Lundqvist) und Simon (Anastasios Soulis) sind schwul, Cissi (Rakel Wärmländer) ist im neunten Monat schwanger. Zu Dritt wohnen sie in einem renovierungsbedürftigen Haus, dass sie sich vor kurzem gekauft haben. Vor allem das Kinderzimmer muss schnell fertig werden, denn die Entbindung steht kurz bevor. Jedoch ist dies nicht das einzige Problem der bunten Gemeinschaft: die Freunde haben zu einem Weihnachtsfest geladen und es gilt, die teils sehr spießige Verwandtschaft zu bespaßen. Vor allem die bevorstehende Anwesenheit des homophoben Ulf (Robert Gustafsson), bereitet den Gastgebern Kopfzerbrechen. Den Dreien stehen ein paar turbulente, chaotische Tage bevor.

Nicht zufällig erinnert der deutsche Verleih-Titel an den Weihnachtsklassiker „Schöne Bescherung“ (alternativ auch unter „Hilfe, es weihnachtet sehr“ bekannt), mit Chevy Chase in der Hauptrolle. In beiden Filmen kommt es unter dem Weihnachtsbaum zu allerlei Turbulenzen, chaotischen Zwischenfällen und Streitereien. „Eine schöne Bescherung“ ist das Regie-Debüt der erfolgreichen schwedischen Schauspielerin Helena Bergström, die international mit „Schwedisch für Fortgeschrittene“ (2006) bekannt wurde. In ihrer Heimat entwickelte sich „Eine schöne Bescherung“ zu einem der kommerziell erfolgreichsten Filme der letzten Jahre.

Die Voraussetzungen für ein harmonisches Fest stehen in „Eine schöne Bescherung“ alles andere als günstig. Es prallen zwei Familien aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einige der Anwesenden – vor allem in Oscars Sippe – sind homophob und dann wollen die drei Freunde den Gästen auch noch etwas Wichtiges mitteilen. Es hat mir Cissis Baby zu tun, mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Sicher ist nur: es wird die heile Welt und die Moralvorstellungen einiger – gestriger – Anwesenden, gehörig durcheinander wirbeln.

Zu allem Überfluss leben die Gastgeber auch noch in einem völlig heruntergekommenen Haus. Der Ärger für die Eingeladenen bzw. der Spaß für den Kinobesucher, beginnt daher schon an der Eingangstür, wenn sich die Türklinke verabschiedet und sich Oscars Vater über den merkwürdigen Duft im Haus beschwert. Das Äußere wirkt auch nicht gerade einladend: eine riesige, abscheulich hässliche Plane umhüllt fast die komplette Vorderseite des Gebäudes. Ganz anders der Vorgarten: allein die pathetisch anmutenden, schimmernden Rentiere sind an Rührseligkeit und Schmalz nicht zu überbieten. Ein kleiner Vorgeschmack dessen, was die Verwandtschaft – und damit auch den Zuschauer –  im Inneren erwartet: eine waschechte, wunderbare skurrile „Gay Christmas“ mit einem wie Michael Jackson tanzenden Gast, allerlei Lametta und viel Kitsch.

Und genau aus diesem Clash der Gegensätze ergeben sich auch die meisten der gelungenen, humorvollen Momente im Film. Jene alles andere als einfache, höchst „alternative“ Grundkonstellation macht den großen Reiz der kurzweiligen Komödie aus. Sorgen die unterschiedlichen Wertevorstellungen, moralischen Ansichten und Lebensentwürfe doch für allerlei und genüsslich mit anzusehenden Ärger und familiären Zwist innerhalb der Handlung. Eine Handlung, die auch von ihrem offensiven Musikeinsatz lebt, der hier aber nicht störend wirkt sondern häufig gelungen in die Szenerie eingebettet ist.

Ein wenig störend ist da vielmehr, dass zwischendurch zu wenig passiert und sich Minuten des Leerlaufs einstellen (z.B. die Szene vor dem TV). Diese Momente ziehen den Film unnötig in die Länge, der mit 105 Minuten insgesamt ohnehin ein wenig zu ausladend geraten ist. Und auch die vielen, schnellen Wechsel zwischen heiteren und melancholisch-nachdenklichen Sequenzen, hätte es nicht gebraucht. Ab und an wirken diese Wendungen zu konstruiert und wie mit der Brechstange serviert. Da stehen die Beteiligten kurz davor, sich die Köpfe einzuschlagen, nur um Ende dann wieder wohlige Harmonie und versöhnlichen Frieden, einkehren zu lassen.

Björn Schneider