Einsteins Nichten

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Weit über 80 Jahre sind die Schwestern Lorenza und Paola Mazzetti alt, die im Mittelpunkt von Friedemann Fromms Dokumentarfilms „Einsteins Nichten“ stehen. In den 30er Jahren flohen sie mit ihrer Familie aus Deutschland nach Italien, wo sie lange Zeit unbeschwert leben konnten, bis ihnen der Name ihres Vaters zum Verhängnis wurde: Einstein.

Webseite: www.filmweltverleih.de

Deutschland 2016 - Dokumentation
Regie & Buch: Friedemann Fromm
Länge: 90 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 24. August 2017
 

FILMKRITIK:

Robert Einstein hieß der Vater von Lorenza und Paola, Zwillingsschwestern, die 1928 geboren wurden. Er war ein Cousin von Albert Einstein, dem weltberühmten Physiker, Entdecker der Relativitätstheorie - und Jude. Als solcher war er den Nazis ein Dorn im Auge, was wohl auch dazu führte, dass im Sommer 1944 in der Toskana entfernte Familienmitglieder ihres berühmten Namens wegen von der Wehrmacht ermordet wurden.

Was genau in jenen Tagen in der Villa geschah, in der Robert Einstein mit seiner Familie lange Jahre, auch während des Zweiten Weltkriegs, ein unbehelligtes Leben führen konnte, ist nie endgültig geklärt worden. Fakt ist nur, dass Robert Einsteins Frau und zwei der Töchter ermordet wurden, er selbst nahm sich ein Jahr später das Leben, ein Ereignis, dass die Töchter Lorenza und Paola auch Jahrzehnte später noch belastet.

Angeklagt wurde wegen der Morde niemand, nach Ende des Krieges wurden keine Ermittlungen aufgenommen, doch Mord verjährt nicht. Erst 2007 wurden die Ermittlungen erneut aufgenommen, Anfang 2011 wurde gar in der ZDF Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“ nach den Tätern und möglichen Zeugen gesucht, doch die Ermittlungen verliefen im Sande, vermutlich sind die Täter verstorben, wären sie noch am Leben, müssten sie ähnlich alt sein wie die Schwestern Mazzetti.

Diese stehen nun im Mittelpunkt einer Dokumentation und tun es doch nicht wirklich. Denn Friedemann Fromm ist weniger am langen und ereignisreichen Leben der Schwestern nach dem Krieg interessiert, als an ihrem berühmten Namen: Einstein. Ohne diesen wären die Schwestern wohl nicht Thema dieses Dokumentarfilms geworden, das darf man getrost behaupten, und so bemüht sich Fromm immer wieder, das Gespräch auf den berühmten Physiker zu lenken, jede der wenigen Begegnungen der Schwestern mit ihrem entfernten Verwandten auszuschmücken, um seinem Film eine Relevanz zu verleihen, die sich ansonsten nur schwer einstellt.

Dabei ist es enorm rührend, wie die beiden Schwestern, die offenbar nur noch sich selber haben, für die Kamera alte Stationen ihres Lebens besuchen, das Grab ihres Vaters, vor allem aber das Haus, in dem sich im Sommer 1944 so schreckliches zutrug. Die Morde durch Wehrmachtssoldaten inszeniert Fromm in nachgestellten Szenen, die wie so oft eher störend dramatisierend und effekthaschend als erhellend sind.

Die schönsten Momente von „Einsteins Nichten“ sind dann auch jene, in denen nicht zwanghaft versucht wird, den Bezug zum berühmten Verwandten über Gebühr zu betonen, sondern einfach zwei reizende alte Damen im Mittelpunkt stehen. Wenn da Paola und Lorenza Mazzetti durch den Garten spazieren oder sich an den Händen halten, während sie sich an ihr langes Leben erinnern, meint man die Spuren der Vergangenheit in ihren Gesichtern ablesen zu können. Und welchen Namen sie einst getragen haben, spielt dann überhaupt keine Rolle mehr.
 
Michael Meyns