Einzelkämpfer

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Als Solisten im Kollektiv beschreibt Sandra Kaudelka in ihrer Dokumentation „Einzelkämpfer“ Sportler des DDR-Systems. Vier ehemalige Athleten porträtiert sie, die unterschiedliche Karrieren erlebten und sich auf ganz eigene Weise mit ihrer Rolle als Repräsentanten des Sozialismus abfanden.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2012 - Dokumentation
Regie, Buch: Sandra Kaudelka
Länge: 93 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 10. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Das Regisseurin Sandra Kaudelka – die mit „Einzelkämpfer“ ihren Abschlussfilm an der DffB vorlegte – selbst in der damaligen DDR geboren wurde und auf dem besten Weg war Leistungssportlerin zu werden bevor die Einheit dazwischen kam, erklärt fraglos ihren besonderen Blick auf das Thema Sport in der DDR. Während ein aus dem Westen stammender Beobachter wohl ein viel größeres Augenmerk auf das Thema Doping geworfen hätte, kommt Kaudelka erst im letzten Drittel ihrer Dokumentation auf dieses Thema zu sprechen.

Endlich, ist man dann versucht zu sagen, denn zuvor hatte es lange den Eindruck, als würde die Regisseurin ihren vier Protagonisten eine höchst unkritische Bühne zum nostalgischen Rückblick auf ein nicht wirklich unbeschwertes Athletendasein geben. Der mehrfache Kugelstoß Olympiasieger Udo Beyer sinniert da über seine Entscheidung für den Kraftsport und die heile Familie nach, die ihn stets unterstützte. Die Wasserspringerin Brita Baldus erzählt von Auslandsreisen, und für die 400 Meter Olympiasiegerin und Weltrekordlerin Marita Koch scheint das größte Problem gewesen zu sein, dass der Staat ihre Beziehung zu ihrem Trainer nicht gut geheißen hat. Das härteste Schicksal des Quartetts hat fraglos die Leichtathletin Ines Geipel durchlebt: Sie wollte einen internationalen Wettkampf nutzen, um zu fliehen, doch stattdessen bekam sie Reiseverbot und wurde bei einer Routineoperation vorsätzlich so schwer verletzt, dass sie noch Jahre später schwere Schmerzen hatte.

Als einzige des Quartetts geht Geibel wirklich kritisch mit dem Zwangsdopingsystem der DDR ins Gericht, dass natürlich kein Einzelfall war, wie unlängst Berichte über systematisches Doping in West-Deutschland auch dem Letzten klar gemacht haben. Dennoch verblüfft etwa die Aussage eines Udo Beyers, der wie selbstverständlich Doping zugibt, aber auch behauptet, dass die Leistungssteigerung in seinem Fall höchstens 2% betragen habe. Keinen Kommentar zum Thema hat dagegen Marita Koch, deren Fabelweltrekord über 400 Meter nicht umsonst zu den ältesten noch bestehenden Rekorden der Leichtathletik zählt.

Ganze Filme und Bücher könnte man mit diesem Thema füllen, Kaudelka aber hat anderes im Sinn: Sie versucht zu ergründen, welche Bedeutung der Sport im DDR-System hatte, wie der kleine Staat sportliche Erfolge für eine positive Außenwirkung gebrauchte und auch missbrauchte. Wer da als Kind in irgendeiner Weise mit sportlicher Leistung auffiel wurde schnell in Kaderschmieden gesteckt und diente fortan auf diese Weise dem System. Privilegien gab es dafür einige, nicht zuletzt aber Einschränkungen.

Doch wirklich kritisch gehen die vier Athleten mit sich, ihrer Karriere und vor allem dem System nicht um, und auch Sandra Kaudelka verzichtet in den Gesprächen weitesgehend auf ein Nachhaken, auf den Versuch, neben den angenehmen Seiten des DDR-Sportsystems, auch die problematischen Aspekte aufzuzeigen. In vielen Aussagen oder auch mit beredtem Schweigen offenbaren gerade Beyer und Koch allerdings mehr, als ihnen vielleicht bewusst ist. Wie man es sich in einem System bequem macht, in dem es dem Durchschnittsbürger weit weniger gut geht, auch dass zeigt „Einzelkämpfer“ auf, eine zwar nicht immer gelungene, aber doch sehenswerte Dokumentation über das Leben als Sportler in der DDR.

Michael Meyns