El Clan

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Mit seinem atmosphärisch dichten Krimidrama entwirft Autorenfilmer Pablo Trapero ein bizarres Sittenbild vor dem Hintergrund der argentinischen Militärdiktatur. Seine abgründige Mafia-Familien-Geschichte mit Thriller-Elementen basiert auf dem berüchtigten Puccio-Clan, dessen Verhaftung in den 80er Jahren in Buenos Aires für Schlagzeilen sorgte. Eine nach außen hin gutbürgerliche Familie, darunter der Sohn, ein bewunderter Rugby-Star, entführt, erpresst und mordet damals im Schatten des Regimes. In Argentinien brach der verstörende Noir-Thriller alle Kinobesucherrekorde.  

Webseite: elclan-derfilm.de

Argentinien, Spanien 2015
Regie: Pablo Trapero
Drehbuch: Pablo Trapero
Darsteller: Guillermo Francella, Peter Lanzani, Lili Popovich, Giselle Motta, Franco Masini, Antonia Bengoechea
Länge: 108 Minuten
Verleih: Prokino
Kinostart: 3.3.2016
 

Preise/Auszeichnungen:

Goldener Löwe Beste Regie für Pablo Trapero bei den Filmfestspielen Venedig 2015

FILMKRITIK:

Das lateinamerikanische Kino scheint auf dem Vormarsch. Vor allem der argentinische Film boomt in den vergangenen paar Jahren. Nicht umsonst besitzt das Land eine der vitalsten Filmlandschaften. Immer mehr Produktionen schaffen es inzwischen auch auf den deutschen Markt. Selbst innerhalb der internationalen Festivals räumt die neue Generation der Regisseure aus Argentinien die Preise bis hin zum Oscar  ab. Besonders Damián Szifrons schwarzhumorige Sozialsatire „Wild Tales“ mit seiner überbordenden Fantasie sowie den raffiniert konstruierten Episoden, wurde weltweit als Beleg für die erzählerische Wucht des argentinischen Kinos gefeiert. Kein Wunder also, dass der neue Thriller seines Regiekollegen Pablo Trapera mit Spannung erwartet wurde.

San Isidro, ein  ruhiger Vorort von Buenos Aires. Hier lebt die fünfköpfige Familie Puccio. Der fürsorgliche Vater Arquímedes (Guillermo Francella), ein freundlicher, weißhaariger Mann mittleren Alters mit strahlend blauen Augen, hilft seinen Kindern bei den Hausaufgaben. Die Mutter (Lili Popovich), eine Lehrerin, führt penibel den Haushalt. Doch der Schein trügt. Hinter der perfekt harmonischen kleinbürgerlichen Fassade lauert brutale Gewalt. Im Keller hält der erbarmungslose Patriarch einen gefangenen, jungen Mann aus reicher Familie als Geisel. Zusammen mit zwei Freunden entführte er sein Opfer. Sohn Alex (Peter Lanzani), ein beliebter Rugbyspieler, fungierte als Lockvogel. Mit den Lösegeldern bessert die Familie ihr Einkommen auf.

Arquímedes, der für den Geheimdienst der Militärregierung arbeitet, kidnappt, erpresst und ermordet wohlhabende Bürger auf eigene Rechnung. Der Clanchef genießt dabei den Schutz der Junta. Perfid tarnt er deshalb seine Verbrechen als Terror-Aktionen aufständischer Gruppen. Doch als Alejandro sich verliebt und das grausame Familienbusiness in Frage stellt, kommt es zu einer gefährlichen Zerreißprobe zwischen Vater und Sohn. Der Familienverbund gerät ins Wanken, Während Alex das erste Mal Sex im Auto mit seiner Freundin hat und diese vor Lust keucht, kidnappt Arquímedes ein neues schreiendes Opfer. Im Hintergrund ertönt dabei „Sunny afternoon“ der ironische Meistersong der britischen Rockgruppe The Kinks. Regisseur Pablo Trapero verwebt seine eindringlichen Sequenzen souverän und springt geschickt zwischen verschiedenen Zeitebenen.

Bereits sein Debütfilm „Mundo grúa“, der erste kraftvolle Film des Neuen Argentinischen Kinos, lenkte die Aufmerksamkeit auf den stilistischen Erfindungsreichtum der aufstrebenden Kinolandschaft. Trapero war 13 Jahre alt, als der Puccio-Clan verhaftet wurde. Ihre unglaubliche Familiengeschichte faszinierte den 43jährigen schon damals. In Argentinien bricht der Noir-Thriller mit dem Gänsehaut-Effekt bereits alle Rekorde. Das mag auch daran liegen, dass die Puccios als traumatisches Phänomen dieser Ära noch heute nicht nur Boulevard-Zeitungen beschäftigen. Wer mit dem dunklen Kapitel der argentinischen Militärdiktatur weniger vertraut ist, auf den wirkt Traperos bizarre Mischung aus Thriller und Horrorfilm zunächst jedoch wie eine groteske Gewaltorgie im Stil von „Pulp Fiction“. Denn die rasante Inszenierung bombardiert den Zuschauer bei ihrem Blick in die sozialen Abgründe schonungslos mit verstörend brutalen Bildern.  

Tatsächlich gehörte die heimliche Entführung, das Verschwinden lassen, von missliebigen Personen zur Praxis der Militärs. Die Opfer wurden während der Haft in Geheimgefängnissen gefoltert und erniedrigt, und anschließend meist ermordet Allein von 1976 bis 1983 verschwanden auf diese Weise bis zu 30.000 Menschen spurlos. „Erst werden wir alle Subversiven töten, dann ihre Kollaborateure, danach ihre Sympathisanten, danach die Unentschlossenen und schließlich die Zaghaften“, erklärte damals General Ibérico Saint Jean.  Die von den USA unterstützten Machthaber bezeichneten ihr Vorgehen als schmutzigen Krieg, „guerra sucia“, gegen die so genannte Subversion.

Luitgard Koch