Ella und der schwarze Jaguar

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In der Entwicklung eines Filmprojekts sind ehrenwerte Absichten schön und gut. Wenn es den Machern aber einfach nicht gelingt, ihre Intentionen überzeugend umzusetzen, leiden darunter auch massiv die eindringlich gedachten Botschaften. Der Abenteuerstreifen „Ella und der schwarze Jaguar“ von Tierfilmexperte Gilles de Maistre („Mia und der weiße Löwe“) möchte die Zerstörung des Amazonasdschungels und die Situation der indigenen Ureinwohner ins Blickfeld rücken, spinnt um diese allemal relevanten Themen jedoch eine erschreckend platte, teilweise sogar in kolonialistische Muster zurückfallende Geschichte. Das Ergebnis: Familienunterhaltung wie vor 30 Jahren, zumindest in erzählerischer Hinsicht!

Webseite: https://www.studiocanal.de/title/ella-und-der-schwarze-jaguar-2024/

Regie: Gilles de Maistre
Drehbuch: Prune de Maistre
Darsteller: Lumi Pollack, Emily Bett Rickards, Wayne Charles Baker, Paul Greene, Eva Avila, Airam Camacho, Kelly Hope Taylor, u.a.

Länge: 100 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Verleih/Vertrieb: Studiocanal Deutschland
Kinostart: 01.02.2024

FILMKRITIK:

Acht Jahre ist es her, dass die Teenagerin Ella Edison (Lumi Pollack) ihre Mutter (Eva Avila), eine Tierschutzaktivistin, unter schrecklichen Umständen verlor. Damals lebte sie mit ihren Eltern noch im Dschungel des Amazonas. Nach dem Verlust zog sie mit ihrem Vater Saul (Paul Greene) nach New York. Als 15-Jährige setzt sich Ella inzwischen selbst für eine rücksichtsvolle Behandlung von Tieren ein und rebelliert im Biounterricht gegen ihre Lehrerin Anja (Emily Bett Rickards), die ihre Schüler Frösche sezieren lassen will.

Als Ella durch einen Brief aus Südamerika erfährt, dass es in ihrer alten Heimat nur noch einen einzigen, von Wilderern bedrohten schwarzen Jaguar gibt, schrillen bei ihr alle Alarmglocken. Immerhin freundete sie sich einst mit einem Jaguarbaby an, das sie auf den Namen Hope taufte. Ist ihre Freundin nun akuter in Gefahr? Für Ella steht die Antwort fest, und deshalb bricht sie hinter dem Rücken ihres Vaters so schnell wie möglich auf in Richtung Amazonas. Ganz allein ist sie jedoch nicht. Denn das von Prune des Maistre, der Ehefrau des Regisseurs, verfasste Drehbuch verrenkt sich so sehr, bis auch die Biolehrerin im Flugzeug sitzt.

Dass Anja ihrer Schülerin hinterherreist ist wenig plausibel, soll dem Urwaldabenteuer aber wahrscheinlich etwas Würze geben. Indes das Gegenteil ist der Fall, da die Paukerin einem schon nach kurzer Zeit mächtig auf den Keks geht. Ständig hyperventilierend stapft sie, anfangs auf Stöckelschuhen, durch das Dickicht und hadert mit den einfachsten Dingen. Als sie beispielweise ein T-Shirt überstreifen will, wird selbst daraus ein Staatsakt. Gilles und Prune de Maistre scheinen in der unter Phobien leidende Anja eine tragische Figur zu sehen. In Wahrheit ist sie aber völlig überzeichnet. Auch, weil Darstellerin Emily Bett Rickards in ihrem Spiel permanent übers Ziel hinausschießt.

Spannend ist die Dschungelodyssee nur in seltenen Momenten. Die meiste Zeit plätschert das Geschehen vor sich hin und besteht aus den Kabbeleien zwischen der Protagonistin und ihrer Lehrerin. Emotional berührend sind eigentlich nur die Rückblenden, die eine kleine Ella (Airam Camacho) beim Herumtollen mit ihrer neuen Freundin Hope zeigen. Dramaturgisch fällt der Film spätestens dann in sich zusammen, wenn es zum großen Showdown mit den klischeehaft-austauschbaren bösen Kräften kommt. Billige Wendungen sind notwendig, um den Film dorthin zu bringen. Und kein bisschen passen die zeitlichen Abläufe im Finale zusammen. Ebenfalls plump, wie „Ella und der schwarze Jaguar“ im Epilog eine heile Welt heraufbeschwören will.

Am meisten stört allerdings die Diskrepanz zwischen guten Absichten und tatsächlicher Darstellung. Die Bedrohung des Regenwaldes und seiner – menschlichen wie tierischen – Bewohner wird zwar immer wieder betont. Großes Interesse für die dort lebenden Indigenen, ihre Sprache und Lebensweise bringt das Ehepaar de Maistre aber zu keinem Zeitpunkt auf. Auch wenn Oré (Wayne Charles Baker), Anführer einer Amazonasgemeinschaft und Freund von Ellas Familie, verhältnismäßig viele Sätze sprechen darf, verharrt er in der Rolle eines Stichwortgebers. Das Lager der Natives riecht eher nach Stadtranderholung mit Kostümfest denn nach einem echten Urwalddorf. Und einmal mehr kommt das so reaktionäre White-savior-Motiv zum Einsatz: Die einheimische Bevölkerung kann nicht von sich aus gegen Ungerechtigkeiten aufbegehren, sondern braucht dazu den Anstoß weißer Menschen. Fingerspitzengefühl? Fehlanzeige! All ihr Augenmerk scheinen der Regisseur und seine Mitstreiter auf die in goldenes Licht getauchten, von erhabener Musik begleiteten Naturbilder und die Interaktion der Schauspielerinnen mit den beiden beim Dreh verwendeten Jaguaren (ja, es sind echte Raubkatzen, keine Computerkreaturen!) gerichtet zu haben.

 

Christopher Diekhaus