Embrace – Du bist schön

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„Embrace“ folgt der Body-Image-Aktivistin Taryn Brumfitt auf ihrer Weltreise. Sie will herausfinden, warum so viele Frauen mit ihrem Körper unzufrieden sind. Die Initialzündung war ihr eigener Foto-Post bei Facebook, der auf große Resonanz stieß. „Embrace“ ist ein mutiger, engagierter Film, der sich für ein positiveres Körperbild einsetzt. Zudem versteht er sich als Plädoyer für mehr Selbstakzeptanz. Er verkommt dabei aber nicht zum deprimierenden Tränendrücker-Machwerk, sondern vermittelt seine Botschaften unterhaltsam, frisch und mit Hilfe kreativer visueller Einfälle.

Webseite: www.embrace-film.de

Deutschland, Kanada, USA,
Großbritannien, Frankreich 2016
Regie: Taryn Brumfitt
Drehbuch:  Taryn Brumfitt
Darsteller: Taryn Brumfitt, Renee Airya, Jade Beall,
Nora Tschirner, Ricki Lake
Länge: 90 Minuten
Verleih: Majestic
Am 11. Mai 2017 als CINEMA EVENT im Kino, ab 18. Mai als DVD und VOD

FILMKRITIK:

Taryn Brumfitt postete bei Facebook ein Vorher-Nachher-Foto, das mehr als 100 Millionen Menschen sahen. Darauf zu sehen: Brumfitt vor und nach der Geburt ihres Kindes. Ihr Ziel: Frauen dazu zu bewegen, ihre Körper so anzunehmen, wie sie sind. Nach dem Post, bekam sie tausende Mails von verzweifelten Frauen. Daraufhin wurde Brumfitt zu einer der bekanntesten Body-Image-Aktivistinnen. Ein weiteres Anliegen von ihr ist es, gegen das von Medien und Werbung propagierte Ideal des stets perfekten, schlanken Frauenkörpers, zu kämpfen.

Über die Crowdfunding-Plattform „kickstarter“ gelang es der Fotografin, 200.000 Dollar für ihr Filmprojekt zu sammeln. Im Film tritt auch die deutsche Schauspielerin Nora Tschirner („Keinohrhasen“) auf, die ihn co-produzierte. „Embrace“ will nicht zuletzt ein Zeichen gegen einen Mobbingtrend setzen, der meist Frauen betrifft und mit der öffentlichen Diskriminierung aufgrund bestimmter körperlicher Merkmale einhergeht: dem sog. „Body Shaming“.

„Embrace“ ist ein couragiertes, beachtenswertes Plädoyer für mehr Selbstvertrauen und dafür, entschieden gegen ein von den Medien vermitteltes Ideal vom perfekten Traumkörper, anzugehen. Der Film versucht in erster Linie die Frage zu klären, was genau die Gründe dafür für den weiblichen Köperhass sind. Die Beantwortung ist man auf der Kinoleinwand in dokumentarischer Form, bisher schuldig geblieben. Zu diesem Zweck sprach Brumfitt auf der ganzen Welt mit Betroffenen, u.a. mit Bulimie-erkrankten Frauen, mit einem Model, Schauspielerinnen, einer Mode-bzw. Lifestyle-Redakteurin aber auch der Hausfrau „von nebenan“.

Die Befragten schildern letztlich – aus unterschiedlichen Blickwinkeln – alle dasselbe Problem: den ungeheuren Druck, in jedem Alter und zu jederzeit (auch nach einer Schwangerschaft), den allgemein geltenden Schönheitsidealen entsprechen zu müssen. Das führt, wie die Beispiele der Interviewten klar machen, nicht selten zu teils schwersten psychischen Erkrankungen. Das befragte Model etwa schildert, wie sie unter heftigen Depressionen litt, da sie sich selbst nicht mehr im Spiegel anschauen konnte. Und schwer gezeichnet von ihrer Krankheit erklärt die unter Bulimie leidende Frau, dass sie sich fast zu Tode hungerte, um so auszusehen wie die Frauen in den Magazinen.

Dabei ist das Geschilderte nicht immer unbedingt neu. Dennoch schockiert es jedes Mal aufs Neue, wenn man direkt damit konfrontiert wird – und im Kino nicht wegschalten kann. Doch das ist gut so, denn so wird man zur Auseinandersetzung gezwungen. „Embrace“ ist aber bei Weitem kein Film, der über die gesamte Laufzeit bedrückend und tieftraurig stimmt. Im Gegenteil: zu weiten Teilen vermittelt er Aufbruchsstimmung und positive Energie, was nicht zuletzt der sympathischen und weltoffenen Protagonistin Brumfitt, zu verdanken ist.

Abwechslung erzeugt der Film durch eine Vielzahl kreativer, visueller Einfälle. Etwa dann, wenn sie ein Model – nur mit Unterwäsche bekleidet – selbstsicher und Stolz durch eine Menschenmenge gehen lässt. Oder wenn Zahlen und Fakten kreuz und quer durchs Bild wandern, die Brumfitts Thesen untermauern. Und beim Zuschauer Betroffenheit hervorrufen. So sind z.B. 91 Prozent aller deutschen Frauen mit ihrem Körper unzufrieden. 90 Prozent aller Fälle von Bulimie und Magersucht, betreffen Frauen. Und fast 50 Prozent aller Frauen weltweit denken, sie seien übergewichtig – obwohl sie Normalgewicht haben.

Leider erfährt man nicht, woher diese Zahlen stammen oder wer die Statistiken erhoben hat. Ein zweiter Kritikpunkt: der Film neigt manchmal zu starker Emotionalisierung. Gerade am Ende, wenn Brumfitt die Erlebnisse ihrer Reise nochmals zusammenfasst. Und auch bei der pathetischen, ab und zu in kitschige Gefilde abdriftenden musikalischen Untermalung, hätte man sich ein wenig zurückhalten können. Insgesamt aber überwiegen die positiven Aspekte und wichtigen Botschaften des Films.

Björn Schneider