Empire of Light

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Lichtspielhaus. Welch schönes Wort, dass die Magie des Kinos viel besser einfängt als etwa Multiplex. Diese Magie versucht Sam Mendes in seinem Drama „Empire of Light“ zu evozieren, das 1981 in einem Seebad an der englischen Küste spielt und sich mehr oder weniger komplex mit schweren Themen wie Rassenunruhen und mentalen Problemen beschäftigt, aber am besten als Ode an das Kino funktioniert.

GB/ USA 2022
Regie & Buch Sam Mendes
Darsteller: Olivia Colman, Micheal Ward, Tom Brooke, Tanya Moodie, Hannah Onslow, Crystal Clarke, Toby Jones, Colin Firth

Länge: 119 Minuten
Verleih: Walt Disney
Kinostart: 20. April 2023

FILMKRITIK:

Im beschaulichen Seebad Margate an der Ostküste Englands scheint die Zeit stillzustehen. Besonders im lokalen Kino Empire, in dem die große Zeit des Kinos weiterlebt – oder zumindest versucht wird, sie am Leben zu erhalten. Der Betreiber Donald (Colin Firth) müht sich redlich, ein attraktives Programm zu gestalten, in der Vorführkabine wechselt Norman (Toby Jones) die Filmrollen, doch es ist Hilary (Olivia Colman), die die gute Seele des Betriebs ist. Egal ob sie an der Kasse sitzt, Süßigkeiten verkauft oder Karten abreißt, Hilary ist die Freundlichkeit in Person. Was nicht zuletzt an dem Lithium liegt, dass sie täglich zu sich nimmt, seit sie aus einer Nervenheilanstalt entlassen wurde, in der sie aus Gründen, die im unklaren bleiben, einsaß.

Mit dem jungen Schwarzen Stephen (Michael Ward) bekommt das Kino einen neuen Mitarbeiter, für den der Job allerdings nur eine Zwischenstation sein soll: Denn Stephen will Architektur studieren, doch dass ist in Großbritannien, Anfang der 80er Jahre, wo der eisige Wind der Thatcher-Administration weht, für einen Schwarzen wie ihn ein nur schwer zu erreichendes Ziel.

Vielleicht ist es der gemeinsame Status als Außenseiter der Gesellschaft, der Hilary und Stephen verbindet, der die Anziehung des ungleichen Duos bewirkt. Eine Affäre beginnt, die nicht nur des Altersunterschiedes, sondern auch der Hautfarben zum damaligen Zeitpunkt für Tuscheln oder Schlimmeres bei den oft wenig progressiven Mitmenschen führt.

15 Jahre war Sam Mendes im Frühjahr 1981 alt, wuchs zwar nicht in einem Seebad sondern in einer Kleinstadt im Landesinneren auf, aber in ähnlich bedrückenden Verhältnissen, wie die Figuren in seinem Film. Vermutlich war es für den späteren Theater- und Filmregisseur ebenfalls das Kino, das eine Fluchtburg war, ein Ort, an dem man sich in andere Welten träumen konnte. Unzählige Filme haben diese Magie des Kinos evoziert, besonders an Guiseppe Tornatores „Cinema Paradiso“ muss man bei „Empire of Light“ immer wieder denken, wenn Hilary im Kino sitzt, die Kamera auf sie gerichtet, die Lichter auf ihrem Gesicht tanzen, der entrückte Blick in die Ferne geht.

Wunderbare Bilder sind das, gefilmt vom großen Kameramann Roger Deakins, der jeden Moment von „Empire of Light“ in makelloses Licht taucht, dessen hochauflösende Digitalbilder eine unwirkliche Künstlichkeit erzeugen. Die hier allerdings im Gegensatz etwa zu etwa Deakins/ Mendes-Kollaborationen bei einem Bond-Film wie „Skyfall“ etwas seltsam anmuten, schließlich geht es nicht um Fantasiegestalten sondern vorgeblich um echte Menschen, mit echten Problemen.

Doch die Figuren, die sich Mendes – der hier zum ersten Mal alleine für das Drehbuch verantwortlich zeichnet – ausgedacht hat, muten oft wie Konstrukte an, wie Typen, die von einem Drehbuchautor erdacht wurden, um einen Punkt zu machen. Durchbrochen wird diese Künstlichkeit vor allem von den Darstellern, allen voran dem Duo Colman/ Ward, die dem Drebuchkonstrukt trotzen. Eine Studie in Nostalgie mag „Empire of Light“ sein, aber gerade in Zeiten, in denen sich das Kino so schwer tut, kann man darüber nicht wirklich böse sein.

 

Michael Meyns