Entertainment

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Der Comedian Neil Hamburger ist ein übel gelaunter, ungepflegter Zeitgenosse, der mit seiner Bühnenshow erfolglos durch die Einöde der kalifornischen Wüstendörfer tingelt. Zwischen den Auftritten schaut er sich Flugzeugfriedhöfe an und begegnet allerlei schrägen Zeitgenossen. Dabei ist sein innigster Wunsch, endlich Kontakt zu seiner Tochter herzustellen. Hat man sich an die entschleunigte Inszenierung und behäbige Erzählweise – die sich letztlich nur Hamburgers Charakter anpasst – des Films gewöhnt, begeistert „Entertainment“ als groteske, melancholische Verlierer-Ballade mit unfreiwilliger Komik und einem grandiosen Hauptdarsteller.

Webseite: www.dropoutcinema.org

USA 2015
Regie: Rick Alverson
Drehbuch: Rick Alverson, Tim Heidecker, Gregg Turkington
Darsteller: Gregg Turkington, Annabelle Lwin, Tye Sheridan,
John C. Reilly, Dean Stickwell
Länge: 87 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 15. September 2016
 

FILMKRITIK:

Neil Hamburger (Gregg Turkington) ist ein heruntergekommener, verbitterter Stand-Up-Comedian, der sich auf einer Tournee durch das kalifornische Hinterland befindet. Zwischen schäbigen Auftrittsorten, der kargen Wüstenlandschaft sowie einem trost- und ereignislosen Alltag, jagt er der guten, alten Zeit hinterher. Zwischen seinen Auftritten – die er mit der Hoffnung verbindet, doch noch an ein Hollywood-Engagement zu kommen – versucht er, seine Tochter zu erreichen. Diese hat sich bereits vor langem von ihm entfremdet. Trost und Ablenkung findet er in den vielen skurrilen, flüchtigen Bekanntschaften, die er im Laufe seines Roadtrips macht: von einem Phrasendreschenden Cousin (John C. Reilly) bis hin zu einem niedergeschlagenen Kleinkriminellen (Michael Cera).

Hauptdarsteller Gregg Turkington spielt sich in der teils melancholischen, teils grotesken Loser-Ballade „Entertainment“ quasi selbst. Seit mehr als 20 Jahren tourt der Schauspieler und Entertainer als Kunstfigur Neil Hamburger durch die ländliche Einöde. „Entertainment“ wurde von Independent-Filmer Rick Alverson gedreht, der mit Turkington bereits bei seinem letzten Film „The Comedy“ (2012) zusammenarbeitete. „Entertainment“ ist gespickt mit namhaften Nebendarstellern, von John C. Reilly („Der Gott des Gemetzels“) über Tye Sheridan („Tree of life“) bis hin zu Dean Stockwell („Blue Velvet“) und erlebte seine internationale Premiere auf dem Sundance Filmfestival Anfang 2015. 

Entschleunigt und alles andere als dynamisch geht es in Rick Alversons nihilistischer Mischung aus Roadmovie und Tragikomödie zu. Als Zuschauer begleitet man den depressiven Clown Hamburger bei seinem sich immer wiederholenden, alltäglichen Trott: kläglich verlaufende Auftritte in schäbigen Spelunken folgen verzweifelte Telefonanrufe bei seiner Tochter und unspektakuläre Sightseeing-Trips über Flugzeugfriedhöfe oder Erdöl-Felder. Diese „Sehenswürdigkeiten“ sind dabei mindestens ebenso spannungsarm, bemitleidenswert und trostlos wie das Leben von Neil Hamburger.

Obwohl also in „Entertainment“ tatsächlich nicht allzu viel passiert und der Film in äußert bedächtigem Tempo erzählt wird, kann man sich der Wirkung und der bedauernswerten Aura der Hauptfigur kaum entziehen. Man fühlt mit ihr und schaut gebannt auf deren Kampf um Erfolg und die Aufmerksamkeit der eigenen Tochter, die vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat. Hauptverantwortlich dafür ist Gregg Turkington, der hier in die Paraderolle seiner eigenen Kunstfigur schlüpft und sie auch abseits der Bühne – als dauergereizten und ungepflegten Versager – gekonnt präsentiert. Das Spielen fällt Turkington sichtlich leicht, er muss sich nicht großartig verstellen, im Gegenteil: er verschmilzt mit seiner Figur.

Schon optisch ist Neil Hamburger nicht zu beneiden: die (wenigen) fettigen Haare sind seitlich über den Kopf gekämmt, Schweiß steht ihm auf der Stirn, die Brille ist dreckig und mit seinen Grimassen, die auf der Bühne wie auch im Privatleben pausenlos zieht, wirkt er schon von weitem wie ein äußerst unsympathischer Zeitgenosse. Das bestätigt sich bei seinen Auftritten: reagiert das Publikum nicht auf seine (wahrlich schlechten) Witze, pöbelt er es an und erniedrigt es. Echtes Entertainment.
Dabei sieht er sich selbst als komödiantischen Heilsbringer, der Heiterkeit und gute Laune in die entlegensten Winkel der USA bringt („Lächelt und amüsiert euch, darum geht’s doch im Leben“) Leider sieht nur er das so. Zwar sind die Auftritte von Hamburger tatsächlich alles andere als einfallsreich und lustig, dafür gehen sie als Paradebeispiel für unfreiwillige Komik durch und eignen sich zum Fremdschämen geradezu herausragend.  In seinem Programm geht es um Sperma, Courtney Love oder ums Urinieren und einer seiner letzten Auftritte im Film ist derart hundsmiserabel, dass ihm das Honorar für den Abend gar nicht erst gezahlt wird.

Für darstellerische Lichtblicke sorgen auch die exzellenten Nebendarsteller. So überzeugt u.a. John C. Reilly als Hamburgers Cousin, der es mit seinen Ratschlägen zur Verbesserung von dessen Lebenssituation zwar gut meint, aber mit den immer gleichen Floskeln und Allgemeinplätzen auch gehörig auf die Nerven geht. Und Tye Sheridan liefert eine großartige Darbietung als zwar enorm talentierter, aber letztlich auch glückloser Entertainer bzw. Clown, dem die undankbare Aufgabe zukommt, das Vorprogramm für Hamburger zu bestreiten. 

Björn Schneider