Erzähl es Niemandem!

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In ihrem erfolgreichen Sachbuch „Erzähl es Niemandem!“ beschrieb Randi Crott die wechselvolle Geschichte ihrer Familie, vor allem ihrer Eltern, die als deutsch-norwegisches Paar während und nach dem Zweiten Weltkrieg eine ungewöhnliche, von Außen oft angefeindete Liebesgeschichte lebten. Das ist eine berührende Geschichte, reich an Implikationen und Bezügen, für die Klaus Martens in seiner Verfilmung jedoch nur mühsam Bilder findet.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland/ Norwegen 2017
Regie: Klaus Martens
Drehbuch: Klaus Martens, nach dem Buch von Lilian Crott Berthung und Randi Crott
Dokumentation
Länge: 90 Minuten
Verleih: RealFiction
Kinostart: 2. Februar 2017

FILMKRITIK:

Zu Recht wurden die Deutschen für lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich als Täter betrachtet, wurde auch ihre Selbstwahrnehmung von den Taten der Nationalsozialisten bestimmt. Erst Jahrzehnte später, durch Wiedergutmachung und Wiedereingliederung in die demokratische Staatengemeinschaft, begann sich der Blick zu öffnen und erlaubte ein Sprechen und Schreiben auch über deutsche Opfer. Der vernichtende Bombenkrieg durch alliierte Luftangriffe konnte nun thematisiert werden, die Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten, aber auch kleinere, persönliche Geschichten, wie die des deutschen Soldaten Helmut Crott und seiner norwegischen Frau Lillian Crott Berthung.
 
2012 veröffentlichte ihre Tochter Randi Crott ihr Buch „Erzähl es niemandem!“ in dem sie die berührende Liebesgeschichte ihrer Eltern schildert, die viel komplizierter war, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Schauplatz ist die norwegische Kleinstadt Narvik, die hoch im Norden des Landes liegt, noch nördlich des Polarkreises. Selbst dort, über 2000 Kilometer von der Reichshauptstadt Berlin entfernt, waren 1942 deutsche Soldaten stationiert, unter ihnen der damals 28jährige Helmut Crott. In Narvik lernte er die 19jährige Lillian Berthung kennen, und auch wenn Freundschaften oder gar Beziehungen zwischen Besatzern und Besetzten nicht gern gesehen waren, verliebte sich das Paar.
 
Gegen alle Widerstände überstand die Liebe die Jahre des Krieges, die Anfeindungen durch Lillians norwegische Mitbürger, den Feuersturm, den die Deutschen bei ihrem Rückzug hinterließen, die Kriegsgefangenschaft in der sich Helmut Crott wieder fand. Allein dies wäre schon eine bemerkenswerte Geschichte, die jedoch noch einen zusätzlichen Dreh hat: Helmut Crotts Mutter war Jüdin, lebte noch lange unentdeckt in Deutschland, bis auch sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Helmut Crott selbst hatte seine Herkunft verschwiegen, schrieb mit dem Vater nur in Codeworten über das Schicksal der Mutter, ein Schweigen, dass auch seine Frau übernahm, ja, übernehmen musste. Auch wenn sie den Anfeindungen ihrer ehemaligen norwegischen Freunde, die ihr ihre Beziehung zu einem Deutschen vorhielten, gern entgegengesetzt hätte, dass auch dieser Deutsche und seine Familie Opfer des Systems waren, musste sie doch aus Sicherheitsgründen die Wahrheit verheimlichen.
 
Allein diese vielfältigen Dimensionen des Schweigens, machen die Ereignisse, die Randi Crott in ihrem Buch „Erzähl es Niemandem“ beschreibt, zu einer paradigmatischen deutschen Geschichte. Dass sich ihr mit Klaus Martens ein Regisseur annimmt ist wenig überraschend, doch die Frage, mit welchen Bildern die Geschichte zu erzählen ist, weiß er nicht zu beantworten. Weite Teile seiner meist inszenierten, nachgestellten, dadurch oft hölzern wirkenden Dokumentation bestehen aus vorgelesenen Passagen aus dem Buch und den wenigen erhaltenen Briefen. Bebildert sind diese Momente mit Bildern von Briefen, Landschaftsaufnahmen oder irgendwie passenden Entsprechungen des Gehörten. Wirkliche filmische Qualität erreicht Martens nur selten, vor allem die Ausschnitte aus dem Wehrmachtspropagandafilm „Kampf um Norwegen“ beeindrucken, führen aber auch vom eigentlichen Kern der Geschichte weg.
 
So dramatisch und berührend ist die Geschichte dieser deutsch-norwegischen Liebe, dass man  sie sich leicht als Spielfilm vorstellen kann. In dieser nur im Ansatz dokumentarischen Umsetzung lebt sie allerdings fast ausschließlich durch den Text selbst, die Bilder jedoch werden der Vielschichtigkeit und Bedeutung dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte nur in Ansätzen gerecht.
 
Michael Meyns